ARC in Santa Maria

Schon als wir am Tag unserer Ankunft in der Marina einklarierten, erwähnte der Marinero, dass Schiffe der ARC kommen würden. ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) wurde vor vielen Jahren von Jimmy Cornell ins Leben gerufen. Jeden Winter startet die ARC von Las Palmas aus über den Atlantic nach St. Lucia. Mittlerweile nehmen jährlich über 200 Boote daran teil und ab August/September herrscht in der Marina in Las Palmas der Ausnahmezustand. Liegeplätze von Yachten die nicht an der Regatta teilnehmen, werden dann nämlich nicht mehr verlängert und den Yachties bleibt nicht anders übrig als entweder in das Ankerfeld vor der Marina zu verholen oder zu einem anderen Hafen weiterzusegeln. Das sorgt natürlich immer für sehr viel Unmut und Aufregung. Erst nach dem Start der ARC, Ende November, werden wieder Liegeplätze an andere Yachten vergeben.

Nachdem die ARC Atlantic mittlerweile so erfolgreich ist, gibt es seit einigen Jahren die World ARC. Da kann man dann mit Gleichgesinnten innerhalb 15 Monate um die Welt segeln. Die Hafenplätze werden reserviert, man kann an vielen „social events“ teilnehmen und bekommt Sicherheitstrainings und Handbücher.

Wie ein Geschwür wächst und wächst auch die ARC, und wir haben gelernt, dass es mittlerweile ganz viele Rallies gibt: z. B. Caribbian 1500, Bahamas, Portugal, Baltic oder auch die Europe. Ein Zweig der Europe liegt seit gestern bei uns im Hafen. Innerhalb drei Stunden hat sich die Anzahl der Segelschiffe in etwa verdoppelt, die Zahl der Segler mindestens verdreifacht.

die ARC Flotte auf dem Weg nach Santa Maria
Ein Blick auf die Marina vor…

Die meisten Schiffe sind aus den USA und UK, es sind aber auch Finnen, Italiener und Australier dabei, die hier zu ihrer letzten Etappe nach Lagos an der Algarve starten. Hektische Betriebsamkeit macht sich im Hafen bemerkbar, überall werden an den Booten Kleinigkeiten repariert, denn morgen, am Samstag ist Start. Wir sind ehrlich gesagt nicht böse, wenn das Rudel bald wieder verschwindet und die gemächliche Ruhe einkehrt, die wir bis gestern hier genossen haben. Es ist ja nicht so, dass wir hier keine Gesellschaft hätten: mit an unserem Steg liegen noch ein deutsches und ein niederländisches Pärchen und der Nachbarsteg beherbergt einige britische, französische und österreichische Segler. Daneben liegen noch ein paar Boote, die auf ihre Eigner warten. Es wird also sicher nicht zu einsam werden.

und nach der Ankunft der ARC

Santa Maria

… ist eine kleine Insel, mit knapp 6000 Einwohnern, ca. 17 auf 8 km groß und es ist die südöstlichste des Azorenarchipels. Durch ihre Lage ist es die mildeste und regenärmste Insel der weit verstreuten Inselgruppe. Es fällt hier nur etwa die Hälfte des Niederschlags im Vergleich zu Flores, der westlichsten Azoreninsel.

Blick nach Süden

 

Die ersten zwei Tage erkundigen wir mal unsere nächste Umgebung, den Hafen, das kleine Städtchen den steilen Hügel hinauf und verschaffen uns einen groben Überblick von der Insel. Was uns als erstes auffällt ist der wunderbare Duft, den die vielen Blumen und Sträucher verströmen. Immer wieder ist man von Wolken wohlduftender Pflanzen umgeben, mal süß und blumig, mal kräftig würzig. Nach so langer Zeit in Las Palmas mit den großen Hafenanlagen und qualmenden Schleppern einfach herrlich.

überall blüht es und duftet herrlich

Vila do Porto, zehn, fünfzehn Minuten zu Fuß die steile Straße hinauf  ist ein nettes Städtchen. Weiß getünchte Häuschen, selten mehr als zwei Stockwerke hoch, stehen eng an der gepflasterten Haupstraße entlang. Es gibt etliche kleine Läden  und Supermärkte, und eine überraschend große Auswahl an Cafés, Bars und Restaurants. An der Parallelstraße ist eine neue Markthalle gebaut, die Metzger, Fisch-, Obst- und Gemüsehändler, aber auch andere Geschäfte wie Schreibwaren, Souvenir oder Friseure beherbergt. Am Metzger kommen wir nicht vorbei und erstehen eine Beinscheibe vom glücklichen Azorenrind. Mit etwas Gemüse wird daraus ein leckeres Gulasch. Aber nicht nur das Fleisch, auch der Fisch sieht frisch und sehr gut aus. Da freuen wir uns schon riesig auf kulinarische Genüsse in den nächsten Wochen.

Eine weitere Überraschung ist das teilweise verständlich ausgesprochene Portugiesisch. Nachdem wir auf dem Festland und in Porto Santo froh waren auch nur die allereinfachsten Floskeln verstanden zu haben, schnappen wir hier immer wieder im vorbeigehen Wörter auf, können uns mit dem alten Herrn der uns Gemüse verkauft grob verständigen. Es ist also noch nicht hoffnungslos, das mit der portugiesischen Sprache! Wie schon an anderer Stelle erwähnt schaffen es die Portugiesen, Wörter in einer Art und Weise auszusprechen, die für uns mit dem Geschriebenen nichts mehr gemein haben. Vokale werden anders ausgesprochen oder verschluckt, Konsonanten weggelassen, damit möglichst schnell gesprochen werden kann. Die Sprache bis jetzt für uns ein absolutes Rätsel, hoffen wir nun auf einen besseren Zugang. Mal sehen, welchen Dialekt die anderen Azoreninseln sprechen. Allerding können auch hier glücklicherweise die allermeisten Einheimischen, genauso wie im  restlichen Portugal englisch, so dass wir nicht auf das Portugisische angewiesen sind.

Bei der Fahrt zu den Azoren hatten wir gehofft, Anke und Uwe von der FreiKerl wieder zu sehen. Sie sind schon seit ein paar Wochen auf dem Archipel unterwegs. Da wir aber hier in Santa Maria kranen möchten und die FreiKerl-Crew auf der 180sm entfernten Insel Sao Jorge auf Wetter für ihren Schlag in die Bretagne wartet werden wir uns vermutlich nicht treffen.  So nah und doch so fern. Wir winken den beiden kräftig zu, wünschen ihnen eine gute Überfahrt nach Festlandeuropa und wir freuen uns sehr darauf sie irgendwann, irgendwo mal wieder zu sehen!

Angekommen in Vila do Porto / Santa Maria / Azoren

Wir sind da! Unser bisher längster Schlag. Über sechs Tage waren wir unterwegs: 730 Seemeilen, das sind 1300km. Jetzt liegen wir glücklich und sicher im kleinen Hafen von Vila do Porto auf der südwestlichsten Azoreninsel.

Wir hatten, verglichen mit unseren anderen Passagen, viel einfachere Wetterbedingungen. Der Preis den wir dafür zahlen mussten, waren viele Motorstunden. Fast ein Drittel musste das „eiserne Segel“ herhalten. Anfangs waren die Bedingungen nicht ganz so angenehm wie wir uns das vorgestellt hatten. Kabbelige Wellen, die unsere Piccolina immer wieder ausgebremst hatten und unsere Gleichgewichtsorgane nach so langer Zeit im Hafen auf eine harte Probe stellte. Dafür hatten wir ab dem dritten Tag, fast keine Welle mehr. Wäre nicht die lange Dünung gewesen, hätte man den Atlantik mit dem Bodensee im Hochsommer vergleichen können, als hätte jemand Öl aufs Wasser gegossen. Allerdings mit dem gravierenden Unterschied, dass wir tagelang bis zum Horizont außer ein paar Vögeln nichts und niemand sahen. Diese Stimmung erinnerte mich an eine Saharadurchquerung in Libyen, bei der sich das Motorrad auch langsam den Dünen folgend auf und abwärts bewegte und man fast das Gefühl von Raum und Zeit verlor.

öliges Wasser

Mit der Zeit stellte sich so etwas wie Bordroutine ein. Halbdurchwachte Nächte wechselten sich ab mit faulen Tagen, an denen der fehlende Schlaf nachgeholt wurde. Dazwischen immer wieder Zeit, gedankenverloren aufs Wasser zu starren, zu lesen, zu philosophieren.

Als das erste Frachtschiff seit vier Tagen am Horizont auftauchte, waren wir fast schon erschrocken. Nachdem Stunde um Stunde vergeht, in dem man auf die einsame See blickt und das AIS kein Anzeichen von anderen „Verkehrsteilnehmern“ zeigt, ist es richtig aufregend, das Signal eines Frachters in 25 Meilen zu bekommen, der dann in einer Meile Entfernung die eigene Kurslinie kreuzt. Und dann taucht nach sechs Tagen eine Insel aus dem Dunst auf. Man kommt immer näher, kann irgendwann Details wie Häuser und Leuchttürme ausmachen.

Santa Maria im Dunst

Es war wunderbar hier anzukommen. Nachdem wir im Hafen ganz langsam ein Runde gedreht hatten um nach freien Plätzen zu schauen, nahm der Uniformierte der Policia Maritima (!) unsere Leinen entgegen und half uns beim Anlegen. Wo wird man denn noch in der Welt bei der Ankunft von der Marinapolizei und dem Marinero mit Handschlag begrüßt? Wir fühlen uns hier sofort willkommen!

Fertig zum Abflug

Die letzten Wochen haben wir wenig von uns hören lassen. Wir waren damit beschäftigt unsere „to do“-Liste abzuarbeiten. Haben wir nicht ganz geschafft, aber einige Dinge die uns wichtig waren konnten wir abhaken. So haben wir z. B.  die Bugstrahlruderbatterie (was für ein Wort! ) nach vorne gelegt, den Fußschalter für die Ankerwinsch gewechselt, verschiedene Abdeckungen für Luken und Außenborder genäht und viele andere Kleinigkeiten erledigt. Dazwischen war aber auch noch Zeit für kleine Ausflüge. Einen sehr netten Abstecher machten wir nach Agüimes, als uns hier mal wieder das trübe Wetter auf den Nerv ging. Ein sehr nettes Städtchen mit einem hübschen Altstadtkern und überall trifft man auf Bronzefiguren. Sehr angenehm für einen Nachmittagsausflug.

Sonntagnachmittag in Agüimes

Nach langem Hin und Her haben wir beschlossen dass wir den Sommer auf den Azoren verbringen möchten. Freunde schwärmten von den Inseln und haben uns sehr neugierig gemacht. Allerdings ist es nicht ganz so einfach dort hin zu kommen. Jeden Tag studieren wir sämtliche Windvorhersagen. Der Wind auf den Kanaren kommt meist aus dem nördlichen Quadrant und so warten wir auf ein Wetter/Windfenster das uns passend scheint. Für nächste Woche sind einige Tage NO angesagt. Das könnte klappen, zumal sehr wenig Welle vorhergesagt ist, allerdings wird es dann ein Amwind oder Hoch am Wind Kurs. Jedenfalls machen wir unser Boot startklar, dann können wir los, sobald das Windfenster ausreichend erscheint. Die Wahrscheinlichkeit auch einige Stunden (hoffentlich nicht Tage) motoren zu müssen ist leider auch recht hoch, da die Azoren oft mitten in einem Hoch liegen und dort dann kein oder nur sehr wenig Wind herrscht.

Wir hoffen auch von unterwegs den ein oder anderen Beitrag senden zu können (wenn die Technik nicht versagt). Ansonsten updaten wir zweimal täglich unsere Position unter Position DH2RR

Kármánsche Wirbelstraße – schon mal was davon gehört?

Wir auch nicht – bis vor kurzem. Seit wir im Hafen von Las Palmas liegen, haben wir nämlich mit diesem Phänomen zu kämpfen.

Wir liegen mit unserer Piccolina quer zur Hauptwindrichtung auf der Insel. Besser gesagt, der Wind kommt meist entweder von etwas vorlicher als querab oder etwas achterlicher als querab (für Nichtsegler: nicht ganz genau von der Seite sondern leicht schräg von vorne oder hinten). Unser Mast – ziemlich genau 16m lang – hat ein symmetrisches, ovales  Profil. Wenn nun ein stetiger Wind  bläst, bilden sich gegenläufige Wirbel hinter dem umströmten Körper (Mast) aus. Die sogenannte Kármánsche Wirbelstraße. Das merken wir wahrscheinlich meist gar nicht, außer die Ablösefrequenz der Wirbel entspricht der Eigenfrequenz des umströmten Körpers (unseres Mast’s) und er wird in Schwingung versetzt. Das ist bei uns bei etwa 10 bis 15 Knoten der Fall. Dann merkt man wie der Mast anfängt zu schwingen und manchmal setzen sich die Schwingungen bis in den Rumpf fort. Das haben wir auch schon auf anderen Schiffen bemerkt, wenn wir zu Besuch waren, allerdings gibt es auf unserer Piccolina einen sehr lästigen Unterschied: wir hören wie ein Fall oder Kabel im gleichen Rhythmus im Inneren des Masts gegen das Alu schlägt. Klong, klong, klong. Dann eine Pause und wieder: klong, klong, klong. Mal etwas länger, mal etwas kürzer, mal leiser oder lauter, die Pausen größer oder kleiner, aber immer wieder das nervtötende klong, klong, klong. – Bis gestern.  Nach eingehender Recherche im Internet hängt nun ein Fender knapp über der zwiten Saling und siehe da: es ist weg. Wir haben plötzlich Ruhe im Schiff. Manchmal sind es die kleinen Dinge die das Leben einfach machen! In diesem Sinn wünschen wir eine gute Nacht😌

Oben hängt der Fender mit der beruhigenden Wirkung