Santa Maria

… ist eine kleine Insel, mit knapp 6000 Einwohnern, ca. 17 auf 8 km groß und es ist die südöstlichste des Azorenarchipels. Durch ihre Lage ist es die mildeste und regenärmste Insel der weit verstreuten Inselgruppe. Es fällt hier nur etwa die Hälfte des Niederschlags im Vergleich zu Flores, der westlichsten Azoreninsel.

Blick nach Süden

 

Die ersten zwei Tage erkundigen wir mal unsere nächste Umgebung, den Hafen, das kleine Städtchen den steilen Hügel hinauf und verschaffen uns einen groben Überblick von der Insel. Was uns als erstes auffällt ist der wunderbare Duft, den die vielen Blumen und Sträucher verströmen. Immer wieder ist man von Wolken wohlduftender Pflanzen umgeben, mal süß und blumig, mal kräftig würzig. Nach so langer Zeit in Las Palmas mit den großen Hafenanlagen und qualmenden Schleppern einfach herrlich.

überall blüht es und duftet herrlich

Vila do Porto, zehn, fünfzehn Minuten zu Fuß die steile Straße hinauf  ist ein nettes Städtchen. Weiß getünchte Häuschen, selten mehr als zwei Stockwerke hoch, stehen eng an der gepflasterten Haupstraße entlang. Es gibt etliche kleine Läden  und Supermärkte, und eine überraschend große Auswahl an Cafés, Bars und Restaurants. An der Parallelstraße ist eine neue Markthalle gebaut, die Metzger, Fisch-, Obst- und Gemüsehändler, aber auch andere Geschäfte wie Schreibwaren, Souvenir oder Friseure beherbergt. Am Metzger kommen wir nicht vorbei und erstehen eine Beinscheibe vom glücklichen Azorenrind. Mit etwas Gemüse wird daraus ein leckeres Gulasch. Aber nicht nur das Fleisch, auch der Fisch sieht frisch und sehr gut aus. Da freuen wir uns schon riesig auf kulinarische Genüsse in den nächsten Wochen.

Eine weitere Überraschung ist das teilweise verständlich ausgesprochene Portugiesisch. Nachdem wir auf dem Festland und in Porto Santo froh waren auch nur die allereinfachsten Floskeln verstanden zu haben, schnappen wir hier immer wieder im vorbeigehen Wörter auf, können uns mit dem alten Herrn der uns Gemüse verkauft grob verständigen. Es ist also noch nicht hoffnungslos, das mit der portugiesischen Sprache! Wie schon an anderer Stelle erwähnt schaffen es die Portugiesen, Wörter in einer Art und Weise auszusprechen, die für uns mit dem Geschriebenen nichts mehr gemein haben. Vokale werden anders ausgesprochen oder verschluckt, Konsonanten weggelassen, damit möglichst schnell gesprochen werden kann. Die Sprache bis jetzt für uns ein absolutes Rätsel, hoffen wir nun auf einen besseren Zugang. Mal sehen, welchen Dialekt die anderen Azoreninseln sprechen. Allerding können auch hier glücklicherweise die allermeisten Einheimischen, genauso wie im  restlichen Portugal englisch, so dass wir nicht auf das Portugisische angewiesen sind.

Bei der Fahrt zu den Azoren hatten wir gehofft, Anke und Uwe von der FreiKerl wieder zu sehen. Sie sind schon seit ein paar Wochen auf dem Archipel unterwegs. Da wir aber hier in Santa Maria kranen möchten und die FreiKerl-Crew auf der 180sm entfernten Insel Sao Jorge auf Wetter für ihren Schlag in die Bretagne wartet werden wir uns vermutlich nicht treffen.  So nah und doch so fern. Wir winken den beiden kräftig zu, wünschen ihnen eine gute Überfahrt nach Festlandeuropa und wir freuen uns sehr darauf sie irgendwann, irgendwo mal wieder zu sehen!

Angekommen in Vila do Porto / Santa Maria / Azoren

Wir sind da! Unser bisher längster Schlag. Über sechs Tage waren wir unterwegs: 730 Seemeilen, das sind 1300km. Jetzt liegen wir glücklich und sicher im kleinen Hafen von Vila do Porto auf der südwestlichsten Azoreninsel.

Wir hatten, verglichen mit unseren anderen Passagen, viel einfachere Wetterbedingungen. Der Preis den wir dafür zahlen mussten, waren viele Motorstunden. Fast ein Drittel musste das „eiserne Segel“ herhalten. Anfangs waren die Bedingungen nicht ganz so angenehm wie wir uns das vorgestellt hatten. Kabbelige Wellen, die unsere Piccolina immer wieder ausgebremst hatten und unsere Gleichgewichtsorgane nach so langer Zeit im Hafen auf eine harte Probe stellte. Dafür hatten wir ab dem dritten Tag, fast keine Welle mehr. Wäre nicht die lange Dünung gewesen, hätte man den Atlantik mit dem Bodensee im Hochsommer vergleichen können, als hätte jemand Öl aufs Wasser gegossen. Allerdings mit dem gravierenden Unterschied, dass wir tagelang bis zum Horizont außer ein paar Vögeln nichts und niemand sahen. Diese Stimmung erinnerte mich an eine Saharadurchquerung in Libyen, bei der sich das Motorrad auch langsam den Dünen folgend auf und abwärts bewegte und man fast das Gefühl von Raum und Zeit verlor.

öliges Wasser

Mit der Zeit stellte sich so etwas wie Bordroutine ein. Halbdurchwachte Nächte wechselten sich ab mit faulen Tagen, an denen der fehlende Schlaf nachgeholt wurde. Dazwischen immer wieder Zeit, gedankenverloren aufs Wasser zu starren, zu lesen, zu philosophieren.

Als das erste Frachtschiff seit vier Tagen am Horizont auftauchte, waren wir fast schon erschrocken. Nachdem Stunde um Stunde vergeht, in dem man auf die einsame See blickt und das AIS kein Anzeichen von anderen „Verkehrsteilnehmern“ zeigt, ist es richtig aufregend, das Signal eines Frachters in 25 Meilen zu bekommen, der dann in einer Meile Entfernung die eigene Kurslinie kreuzt. Und dann taucht nach sechs Tagen eine Insel aus dem Dunst auf. Man kommt immer näher, kann irgendwann Details wie Häuser und Leuchttürme ausmachen.

Santa Maria im Dunst

Es war wunderbar hier anzukommen. Nachdem wir im Hafen ganz langsam ein Runde gedreht hatten um nach freien Plätzen zu schauen, nahm der Uniformierte der Policia Maritima (!) unsere Leinen entgegen und half uns beim Anlegen. Wo wird man denn noch in der Welt bei der Ankunft von der Marinapolizei und dem Marinero mit Handschlag begrüßt? Wir fühlen uns hier sofort willkommen!

Fertig zum Abflug

Die letzten Wochen haben wir wenig von uns hören lassen. Wir waren damit beschäftigt unsere „to do“-Liste abzuarbeiten. Haben wir nicht ganz geschafft, aber einige Dinge die uns wichtig waren konnten wir abhaken. So haben wir z. B.  die Bugstrahlruderbatterie (was für ein Wort! ) nach vorne gelegt, den Fußschalter für die Ankerwinsch gewechselt, verschiedene Abdeckungen für Luken und Außenborder genäht und viele andere Kleinigkeiten erledigt. Dazwischen war aber auch noch Zeit für kleine Ausflüge. Einen sehr netten Abstecher machten wir nach Agüimes, als uns hier mal wieder das trübe Wetter auf den Nerv ging. Ein sehr nettes Städtchen mit einem hübschen Altstadtkern und überall trifft man auf Bronzefiguren. Sehr angenehm für einen Nachmittagsausflug.

Sonntagnachmittag in Agüimes

Nach langem Hin und Her haben wir beschlossen dass wir den Sommer auf den Azoren verbringen möchten. Freunde schwärmten von den Inseln und haben uns sehr neugierig gemacht. Allerdings ist es nicht ganz so einfach dort hin zu kommen. Jeden Tag studieren wir sämtliche Windvorhersagen. Der Wind auf den Kanaren kommt meist aus dem nördlichen Quadrant und so warten wir auf ein Wetter/Windfenster das uns passend scheint. Für nächste Woche sind einige Tage NO angesagt. Das könnte klappen, zumal sehr wenig Welle vorhergesagt ist, allerdings wird es dann ein Amwind oder Hoch am Wind Kurs. Jedenfalls machen wir unser Boot startklar, dann können wir los, sobald das Windfenster ausreichend erscheint. Die Wahrscheinlichkeit auch einige Stunden (hoffentlich nicht Tage) motoren zu müssen ist leider auch recht hoch, da die Azoren oft mitten in einem Hoch liegen und dort dann kein oder nur sehr wenig Wind herrscht.

Wir hoffen auch von unterwegs den ein oder anderen Beitrag senden zu können (wenn die Technik nicht versagt). Ansonsten updaten wir zweimal täglich unsere Position unter Position DH2RR

Kármánsche Wirbelstraße – schon mal was davon gehört?

Wir auch nicht – bis vor kurzem. Seit wir im Hafen von Las Palmas liegen, haben wir nämlich mit diesem Phänomen zu kämpfen.

Wir liegen mit unserer Piccolina quer zur Hauptwindrichtung auf der Insel. Besser gesagt, der Wind kommt meist entweder von etwas vorlicher als querab oder etwas achterlicher als querab (für Nichtsegler: nicht ganz genau von der Seite sondern leicht schräg von vorne oder hinten). Unser Mast – ziemlich genau 16m lang – hat ein symmetrisches, ovales  Profil. Wenn nun ein stetiger Wind  bläst, bilden sich gegenläufige Wirbel hinter dem umströmten Körper (Mast) aus. Die sogenannte Kármánsche Wirbelstraße. Das merken wir wahrscheinlich meist gar nicht, außer die Ablösefrequenz der Wirbel entspricht der Eigenfrequenz des umströmten Körpers (unseres Mast’s) und er wird in Schwingung versetzt. Das ist bei uns bei etwa 10 bis 15 Knoten der Fall. Dann merkt man wie der Mast anfängt zu schwingen und manchmal setzen sich die Schwingungen bis in den Rumpf fort. Das haben wir auch schon auf anderen Schiffen bemerkt, wenn wir zu Besuch waren, allerdings gibt es auf unserer Piccolina einen sehr lästigen Unterschied: wir hören wie ein Fall oder Kabel im gleichen Rhythmus im Inneren des Masts gegen das Alu schlägt. Klong, klong, klong. Dann eine Pause und wieder: klong, klong, klong. Mal etwas länger, mal etwas kürzer, mal leiser oder lauter, die Pausen größer oder kleiner, aber immer wieder das nervtötende klong, klong, klong. – Bis gestern.  Nach eingehender Recherche im Internet hängt nun ein Fender knapp über der zwiten Saling und siehe da: es ist weg. Wir haben plötzlich Ruhe im Schiff. Manchmal sind es die kleinen Dinge die das Leben einfach machen! In diesem Sinn wünschen wir eine gute Nacht😌

Oben hängt der Fender mit der beruhigenden Wirkung

Ein Jahr auf Piccolina

Zeit für ein kleines Resumé.

Der Umzug aufs Boot gestaltete sich aufwändiger als gedacht. Dass wir nicht unseren ganzen Hausstand mitnehmen können war von vornherein klar, aber sich bei jedem Topf oder Kleidungsstück, Buch oder Hifizubehör, Werkzeug oder Materialien entscheiden zu müssen was mitkommt, eingelagert wird oder in die Tonne gehört, strengte wirklich an. Das war nicht einfach ein Umzug, es war die Vorbereitung auf ein anders gestaltetes Leben. Doch zuerst waren wir ja noch ein paar Monate in Lübeck, hatten ein Auto, kannten uns aus. Die Umbauten am Boot zogen sich in die Länge und wir kamen später im Jahr los als geplant.

unser Heim seit einem Jahr

Schon bei der Abfahrt saß uns die Zeit im Nacken. „Spätestens im September sollte die Überfahrt über die Biskaya erfolgen“, so die allgemeinen Segelanweisungen. Dieser Satz bohrte sich in unsere Köpfe, ob wirklich zurecht? Da wir seglerisch keine alte Hasen sind, wollten wir uns daran halten. Auf der Fahrt durch den Ärmelkanal meinte es das Wetter nicht wirklich gut mit uns. Entweder zuviel Wind oder zu wenig, und meist auf die Nase. Die wenigen schönen Segeltage im englischen Kanal können wir leicht an einer Hand abzählen. Wir waren froh,  das anspruchsvolle Tidenrevier, mit den stark frequentierten Häfen und Fährrouten, den vielen Fischerbooten und der teilweisen heftigen Strömung hinter uns gebracht zu haben, als wir Nahe Brest auf ein Wetterfenster für die Biskayaüberquerung warteten. Fast zwei Wochen beobachteten wir Wind-und Wettervorhersagen um den richtigen Zeitpunkt für unseren bislang größte Schlag abzupassen. Nach einer zwar etwas ruppigen, dafür sehr schnellen Überfahrt merkten wir, wie in A Coruña die Anspannung, die uns bis dahin begleitete, abfiel. Galizien war und ist für uns ein unerwartet reizvolles Segelrevier. Geschützte Rias mit vielen tollen Ankerplätzen, freundliche, unkomplizierte Menschen, sagenhaftes Essen. Wäre es nicht irgenwann kalt geworden, wir wären vielleicht immer noch dort😉.

so kommen wir am Ankerplatz von Bord

Hier irgendwo zwischen Navajas (Schwertmuscheln) und Albariño entdeckten wir das Fahrtensegeln, so wie wir es uns – wenn auch nicht in allen Details – vorgestellt haben. Es ist das erste Mal, dass wir Zeit im Überfluss haben und genießen diesen Zustand. Keinen Wecker morgens – außer vor langen Tagestörns – keine Termine – außer wenn man sich mit anderen Crews verabredet – keiner, der einem sagt was man zu tun hat. Wir können bleiben wo es uns gefällt, bis wir das Gefühl haben weitersegeln zu müssen, oder uns das Wetter weiter treibt.

bleiben und genießen…

Letzteres drängte uns immer weiter die Küste entlang nach Süden, wo wir schließlich von Cascais aus den Absprung zu der Madeira vorgelagerten Insel Porto Santo schafften. Auch dies wieder eine etwas anstrengende Überfahrt mit ordentlichen Wellen von hinten, dafür hatten wir keine Sorge dass uns der Wind ausgehen könnte…

Delphine – immer schön wenn sie ums Boot schwimmen

Auf Porto Santo scheinen die Uhren etwas langsamer zu ticken. Sowohl die Größe der Insel als auch die Einwohnerzahl ist übersichtlich und im Hafen waren ab Dezember nur noch eine Handvoll ausländische Yachten. Wir verbrachten dort den Jahreswechsel und das mit einem Feuerwerkspektakel das wir nicht so schnell vergessen werden, wurde es doch direkt vom Aussichtspunkt oberhalb des Hafen gezündet – also quasi nur für uns 😀😀

Start ins neue Jahr

Nun sind wir schon seit ein paar Monaten in Las Palmas auf Gran Canaria. Auch wenn wir uns das Wetter etwas besser erwartet hatten (alle sagen dass es dieses Jahr viel kälter ist), gefällt es uns sehr gut hier. Auf den ersten Blick eine graue Stadt mit zu vielen Hochhäusern, sehen wir nun ihren spröden Charme, nette Plätze versteckt um die Ecke, herzliche Menschen, ungeschönte Fasasden aber ehrliches Leben.

Auch auf dem Boot ist nicht alles nur wunderbar. Wir leben auf vielleicht 25qm zu zweit. Bei all dem Werkzeug, Ersatzteile, Segelliteratur und Karten, Küchenutensilien und Vorräte, den vielen anderen Dingen die notwendig sind, bleibt nicht viel Platz für persönliche Gadgets. Das war auch von vornherein klar und ist kein Problem – auf unseren Motorradreisen hatten wir wesentlich weniger Spielraum.

Für alltäglichen Dinge müssen wir viel mehr Zeit aufbringen alsfrüher zuhause. Wäsche waschen ist so ein Beispiel. Nicht immer haben wir das Glück, dass wir in der Marina kostenlos waschen können (wie in Porto Santo). Meist nehmen wir unseren Wäscheberg mit zum Waschsalon, auch gern mal mit Fahrrad oder Bus und freuen uns wenn dort professionelle Maschinen zur Verfügung stehen. Dabei muss pro Maschine schon zwischen 5 und 8 Euro gerechnet werden, der Trockner schluckt auch nochmal um die 4 Euro. Dafür braucht die Wäsche meist nur eine gute Stunde. So sind wir hin und zurück oft über zwei Stunden unterwegs. Einkaufen ist meist auch zeitaufwändiger, da alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Boot geschleppt werden muss. Bisher hatten wir nur hier die Möglichkeit, die Einkäufe geliefert zu bekommen. Dann gibt es die tägliches Arbeiten auf dem Boot: Geschirr spülen, putzen und polieren….

Bei größeren Projekten – im Augenblick sind wir gerade dabei eine zusätzliche Batterie vorne zu unserem Bugstrahlruder einzubauen – ist es oft schwierig erst mal herauszubekommen, wo man Material bekommt. Die Bootchandler hier vor dem Hafen sind ganz ordentlich bestückt, teilweise aber recht teuer. Doch auf der Suche nach passendem Sperrholz(-zuschnitt) waren wir locker einen halben Tag unterwegs. Nicht selten sind wir tagelang in der Stadt unterwegs, wenn wir spezielle Teile suchen…

Ferreteria

Dennoch bereuen wir unseren Entschluß aufs Boot zu ziehen keinen Augenblick. Wir fühlen uns uns wohl in unserem schwimmenden Heim. Wir genießen es „Zeitmillionäre“ zu sein, verschieben lästige Arbeiten auch gerne mal auf morgen. Dabei haben wir erst kürzlich gelernt dass „mañana“ – nicht „morgen“ – bedeutet, „nicht heute“ wäre vielleicht die bessere Übersetzung 😆. Mit genügend Zeit kann man vieles gelassener angehen. Und wir freuen uns bald wieder neue Ziele anzusteuern zu können.