Tunesien, Algerien

Ende September 2001 ging’s los. Ja, richtig, zwei Wochen nach 9/11. Mittlerweile ziemlich weit weg, obwohl die weltpolitischen Auswirkungen immer noch deutlich zu spüren sind. Aber 2001 saß der Schock schon tief. Auch wir brauchten einige Tage um das zu verdauen – und was sollte nun aus unserer Reise werden, die wir seit Jahren intensiv vorbereiteten? Die Motorräder waren fertig aufgebaut und eingefahren, die Ausrüstung zusammengestellt, die Pässe waren unterwegs bei unterschiedlichen Botschaften zur Visabeschaffung – und nun?
Lange überlegten wir nicht. Die Reise sollte stattfinden. Eine sehr gute Entscheidung, wie ich im nachhinein sagen kann. Doch unsere Ausrüstung wurde um ein wichtiges Utensil erweitert: ein Kurzwellenradio. So konnten wir in den Weiten der Sahara und im afrikanischen Busch immer auf dem Laufenden bleiben, dank BBC und Deutsche Welle.

Tunesien ist ein kleines Land, etwa halb so groß wie Deutschland und im Vergleich zu den anderen nordafrikanischen Staaten eher ein Winzling. Mit der Fähre ist man von Genua aus innerhalb eines Tages in der nördlich gelegenen Hauptstadt Tunis. Der Norden des Landes ist sehr grün, die Ausläufer des Atlas sind meist bewaldet. Sehr schön sind die Korkeichenwälder, wenn die frisch geschälten, rotbraunen Stämme in der Sonne leuchten. Je weiter südlich, desto karger wird das Land. Die Wälder, Wiesen und Felder im Norden, werden von Oliven- und Mandelhainen abgelöst. In der Mitte des Landes gibt es einige grüne Oasen zwischen den großen leeren Salzebenen der Schotts. Südlich des Chott el Djerid beginnt die Sandwüste mit den Ausläufern des Grand Erg Oriental.

Abseits von den Touristenhochburgen an der Ostküste sind die Menschen meist sehr freundlich. Da kam es schon mal vor, dass der stark gesüßte Schwarztee, den wir im Cafe bestellten, von einem anderen Gast bezahlt wurde – einfach so. Und wenn man ein paar Brocken arabisch sprechen kann, macht das Handeln an den Souvenirständen oder das Schlendern durch den Markt noch mehr Spaß. Aber da viele unbekannte Länder auf uns warteten und wir Tunesien schon mehrmals bereist hatten, ließen wir El Djem, Sbeitla, Dougga, Sidi Bou Said und Kairouan „links“ liegen und waren zwei Tage nach Ankunft auf dem afrikanischen Kontinent an der Grenze zu Algerien. Hier ein paar Bilder Tunesiens von früheren Reisen:

Die Einreise nach Algerien war wie erwartet etwas langwieriger. Die Abfertigung der geschätzt vielleicht 40 Touristen überforderte die Zöllner völlig. Schließlich hatten wir die Prozedur am späten Nachmittag hinter uns und durften unsere Motorräder starten.

Algerien ist das größte Land in Afrika (nach der Fläche) und fast sieben mal so groß wie Deutschland. Im Norden erstreckt sich das Atlasgebirge über die gesamte Breite des Landes, teilweise bis über 2000m hoch. Entsprechend mediterran ist das Klima in den nördlichen Regionen. Südlich des Atlasgebirges breitet sich die Sahara aus. Diese Wüste nimmt 85% der Landesfläche ein und gliedert sich in verschiedene Sandwüsten (Erg) und Steinwüsten (Hammada). Im Süden und Südosten erheben sich wüstenhafte Berglandschaften bzw. mit dem Ahaggar-Massiv ein Hochgebirge vulkanischen Ursprungs, dessen höchster Gipfel 2908m hoch liegt. Das Klima in der Sahara ist extrem trocken und zeichnet sich durch einen hohen Tagestemperaturgang aus.

Tagestemperaturgang – hört sich ja nett an. Ich kann sagen, dass bei uns die Nachttemperaturen sehr angenehm waren: so um die 20 bis 25°C. Aber sobald die Sonne aufging, wurde die Heizung angeknipst und das Thermometer schoss in die Höhe. Am Nachmittag erreichten die Temperaturen dann bis zu 48°C im meist nicht vorhandenen Schatten. Ab der 40°C-Grenze, merkt man jedes einzelne Grad, welches das Quecksilber höher steigt. Dabei ist es so trocken, dass jeder Schweißtropfen, jede noch so kleine Feuchtigkeit sofort trocknet. Man hat nie das Gefühl, dass die Kleidung an der Haut klebt. Alles ist trocken – die Kleidung, die Haut, die Schleimhäute. Die T-Shirts werden jeden Tag mit mehr Salzrändern überzogen. Auf dem Motorrad bekommt man die Lufttemperatur direkt zu spüren. Je höher die Temperatur, desto weniger kühlt der Fahrtwind – im Gegenteil, am Nachmittag ist die Luft oft so erhitzt dass man manchmal vom Gas gehen muss, weil die Hitze kaum auszuhalten ist. Man kann sich das in etwa so vorstellen: man stellt einen Fön auf volle Leistung und hält ihn 10cm vor das Gesicht – Tempo 70km/h oder man hält ihn eine Armlänge von sich – Tempo 40km/h.

Jedenfalls waren die Temperaturen unglaublich anstrengend. Mittags legten wir uns manchmal in den winzigen Schatten den unsere Motorräder der hochstehenden Sonne abringen konnten oder unter Tamarisken und Schirmakazien, teilweise spendeten auch große Felsen wohltuenden Schatten.

Die schönsten Momente waren immer die Abende. Wenn am Horizont der glühende Feuerball untergeht, die Umgebung in warme Farben taucht und die flimmernde, in den Lungen stechende Luft eine wunderbare weiche und angenehme Metamorphose erfährt. Die Welt wird friedlich, mild und so still, dass man das eigene Blut in den Ohren rauschen hört. Jetzt kann man die Schönheit der Landschaft in sich aufnehmen, die sanften Kurven der Sanddünen, die unendliche Weite der Ebenen und langsam zeigen sich die Sterne. Millionen und Abermillionen der Himmelskörper sind zu sehen. Die Namensgebung der Milchstraße erscheint vollkommen logisch, wenn man das weiße Band am Nachthimmel sieht, denn der Blick wird weder durch Luft- noch Lichtverschmutzung getrübt.

Unsere Route führte uns durch das östliche Algerien. Über die Gräberpiste erreichten wir Illizi, dann ging es nach Djanet und von dort über das Ahaggargebirge in die südliche Oase Tamanrasset. Die Landschaft war beeindruckend. Wahrscheinlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: die Sahara liebt man oder hasst man.

Hier einige Bilder von dem Wüstenstaat: