





Von Paleros geht es weiter die Festlandküste entlang nach Mytikas.



Hier sind wir letztes Jahr schon mal vor Anker gelegen. Der Ankergrund ist gut, das Städtchen ganz nett, mit allem was man braucht und heuer treffen wir uns dort mit einem ehemaligen Arbeitskollegen von Rolf, dem wir im letzten Sommer zufällig in Syvota begegnet sind. Dieses Mal ist das Treffen kein Zufall, denn mittlerweile haben wir unsere Telefonnummern ausgetauscht und wir wissen daß er mit seiner Frau und zwei Bekannten einige Wochen hier auf einem Campingplatz stehen. Mit dem 7m RIB machen sie dann Ausflüge auf den Inseln. Sie kennen sich gut aus in diesem Revier, kommen sie und ihre Freunde seit Jahren hierher. Uns nehmen sie mal mit auf einen Badenachmittag in eine Ankerbucht auf der Nachbarinsel Kalamos. Mit weit über 30 Knoten brausen wir übers Wasser – da bekommen Rolf und ich ja einen Geschwindigkeitsrausch. In einer Viertelstunde sind wir in der Bucht, vorbei am Hafen von Kalamos. Da würden wir zwei Stunden dafür brauchen. Abends sitzen wir in einer Sechserrunde gemütlich zusammen bei Grillfleisch, Bier – und Blue Spritz. Ein leckeres Getränk für die Mädels. Es ist kurzweilig und lustig und erst spät in der Nacht tuckern Rolf und ich mit unserem Dinghy zur Piccolina zurück. Das Wetter in den zwei Tage die wir hier vor Mytikas liegen ist sehr ungewöhnlich dieses Jahr, denn wo normalerweise ab dem Nachmittag eine kräftige Briese ums Eck pfeift und ordentlich Welle und Schwell in die Bucht steht, ist dieses Jahr ziemlich Ententeich. Aber für uns gerade recht, werden wir nicht nass wenn wir mit dem Dinghy unterwegs sind.

Mytikas hat dieses Jahr noch etwas ganz anderes zu bieten. Es ist Austragungsort für die Weltmeisterschaft im Freedive. Eine Sportart die für reichlich Diskussion sorgt. Es gibt viele verschiedene Disziplinen, hier zwischen den Inseln, werden die Meisterschaften im Tieftauchen ausgetragen. So nah dran an einem Event, sind wir natürlich neugierig und informieren uns über den Sport etwas genauer. Erfahren dass es auch im Tieftauchen verschiedene Varianten gibt. Im Live TV im Internet schauen wir uns einige Dives an, die irgendwo zwischen den Inseln stattfinden. Heute ist die Kategorie CWT (Constant weight) dran. Das bedeutet dass die Taucher sich mit Blei aufballastieren dürfen um besser abtauchen zu können, sie dürfen das Gewicht aber nicht abwerfen, sonder müssen dieses auch wieder mit hochnehmen. Die Athleten konzentrieren sich vor dem Abtauchen, atmen tief ein und pumpen sich mit einer bestimmten Atemtechnik nochmals zusätzliche Luft in die Lunge. Dann tauchen sie ab. An einem Stahlseil sind in einer Tiefe, die jeder individuell als Tauchtiefe angibt, weiße Karten an einem Teller angebracht. Der Freediver ist an dem Stahlseil gesichert. Die meisten tragen eine Monofin (es gibt auch Disziplinen wo nur Bifins oder keine Fins erlaubt sind) und tauchen mit starken Delfinschlägen ab. Eine Kamera fährt mit dem Taucher mit und filmt den gesamten Tauchgang. Je nach dem wieviel Gewicht der jeweilige Taucher trägt muss er nur die ersten 20-30m aktiv in die Tiefe tauchen. Ab dann sinkt der Freediver von selbst ab. Manche machen noch ein paar Flossenschläge um schneller in die Tiefe zu kommen, andere lassen sich einfach sinken. Das ist tatsächlich ein sehr gespenstischer Anblick, wenn der Taucher immer tiefer und tiefer sinkt, ohne dass er sich bewegt. Man sieht die Markierungen am Stahlseil vorbeiziehen und langsam wird die Umgebung dunkler, aber sonst deutet nichts darauf hin, dass der Körper sich im Fall befindet. Kurz vor der angegebenen Tiefe kommt eine Markierung, dann die besagten weißen Karten, von denen der Taucher eine abreist und mit nach oben bringt. Auch wenn das Abtauchen für mich irgendwie gruselig aussieht, der schwierige Teil ist das auftauchen. Denn nun muss der Sportler arbeiten, den langen Weg bis auf die 20m Marke, bis der Auftrieb wieder einsetzt. Frühestens ab 50m kommen die ersten Rescuetaucher (mit dem Scooter) um den Athlet beim Aufstieg zu begleiten, ab 30m kommen Rescuetaucher ohne Gerät und sichern den Tauchgang, denn die letzten Meter sind natürlich die gefährlichsten. Reicht die Luft, die Zeit, die Kraft? Bei manchen Freedivern sieht es bis zum Schluss gut koordiniert aus, wenn sie mit kräftigen Beinschlägen Richtung Oberfläche paddeln. Bei manchen sieht man deutlich, wie sie an ihre Grenzen kommen, einige wenige fallen praktisch unter Wasser in Ohnmacht und werden von den Rescuetauchern an die Oberfläche gezogen. Für mich sieht es aus wie ein gefährliches Spiel auf Leben und Tod. Hier bei dem Wettbewerb ist es noch relativ sicher, es wird ständig aufgepasst, doch eine kleine Recherche zeigt, dass viele Freediver eher bei Trainingstauchgängen ums Leben kommen bzw. einfach nicht mehr auftauchen und nie gefunden werden. Doch das Freitauchen ist nicht nur Sport und Rekordjagd, sondern auch eine faszinierende Vorstellung vom Tauchen im Meer. Gibt es doch sensationelle Aufnahmen von Apnoetauchern zusammen mit Walen oder Walhaien. Wie schön muss das sein…

Wir kehren Mytikas den Rücken und lichten den Anker. Vorbei an den Inseln Kalamos und Kastos geht es nach Süden. Der Wind ist unstet, wir müssen zwischendurch sogar motoren, um überhaupt vorwärts zu kommen, aber am Ende können wir fast zwei Drittel der Strecke bis zur Ormos Oxeias segeln. Kurz vor dem Ziel besuchen uns noch ein paar große Tümmler. Ein seltenes, aber immer ein tolles Ereignis im Mittelmeer.




