Surinam liegt auf ca. 6 Grad nördlicher Breite, franz. Guyana noch näher am Äquator. Bis jetzt stand die Sonne – zumindest rechnerisch – im Norden. Das ändert sich nun. Diese Tage müsste die Sonne ihren höchsten Stand erreichen, dann wandert sie Richtung Äquator. Wir haben die leise Hoffnung, dass dann die Temperaturen leicht abnehmen, was in Wirklichkeit nicht sehr realistisch ist. Hier in Surinam ist momentan Trockenzeit und es hat tatsächlich noch kein einziges Mal geregnet in der ersten Woche die wir nun hier sind. Dennoch ist die Luftfeuchtigkeit irre hoch, die Temperaturen genauso. Die 30Grad Marke überschreiten wir meist schon kurz nach neun – im Boot eine gute Stunde später. Das Quecksilber steigt im Schiff über den Tag bis auf 35 bis 38 Grad an, dennoch liegt die Luftfeuchtigkeit bei knapp 70Prozent. Das Teakdeck, aber auch der helle Dinghyboden sind teilweise so aufgeheizt, dass man nur kurz barfuß draufstehen kann.
Auch an Land ist es unglaublich heiß. Man sucht den Schatten und ist froh um jeden Luftzug den man spürt. Erst kurz vor Sonnenuntergang wird es angenehmer und meist weht eine leichte Brise, die uns dann auch hilft das Bootsinnere zu durchlüften. Dennoch kommen wir mittlerweile selten unter 29 Grad in unserer Achterkabine, bevor wir in die Koje kriechen. Wenn die Temperatur unter 28 Grad fällt, müssen wir uns zudecken. Durch die ständige Hitze wird jeder Handgriff zur Anstrengung. Morgens erledigen wir kleine Arbeiten am Boot, danach läuft nix mehr – außer Schweiß den Rücken runter. Wir können mitunter gar nicht soviel Flüssigkeit in uns hineinschütten, wie wir herausschwitzen, aber das holen wir dann abend mit ParboRadler nach. Egal ob auf dem Boot oder in der Bar, die Abende sind am angenehmsten. Dann genießen wir die kühler werdende Luft, bestaunen den Sternenhimmel und sind gar nicht böse, dass die Sonne nur 12 Stunden lang scheint….
Die Wettervorhersage verspricht ordentlich Wind – leider auch viel Welle, dennoch wollen wir nun los, da wir ja schon ausklariert haben. Am Vorabend der Abfahrt verholen wir an eine Muring vor der Ile de Joseph. Hier ist es nahezu windstill und vor allem nicht so schaukelig, so dass wir ohne Mühe unser Dinghy auf dem Vorschiff zusammenfalten können. Alles ist bereit für die Abfahrt. Wir rechnen mit ca. 30 Stunden bis zur Einfahrt in den Surinam River. Wenn alles klappt haben wir dann auflaufende Strömung für die fast 30 Seemeilen nach Domburg. Am nächsten Morgen legen wir noch im Dunkeln ab und runden die Inseln. Die See ist ganz schön kabbelig – kein Wunder bei gut 25Knoten Wind, aber nur 10 bis 20 Meter Wassertiefe. Wir setzen nur die Genua, da ein vor Wind Kurs ansteht. Kaum ist das Segel gesetzt werden die Bootsbewegungen runder und angenehmer. Bei Sonnenaufgang haben wir angenehme 20 Knoten Wind und werden zusätzlich vom Strom der mit bis zu zwei Knoten entlang der Küste nach Norden setzt in die richtige Richtung geschoben. Wir genießen einen herrlichen Segeltag und als Rolf die Angel raushängt, beißt keine halbe Stunde später ein Thun fürs Mittagessen – yammi!
Am Nachmittag schwächelt der Wind etwas, aber in der Nacht briest es wieder auf, so dass wir gut in der Zeit liegen. Die Nacht ist ziemlich spannend. Es ist sternenklar, dafür haben wir fast Neumond und ständig sind irgenwelche Fischerboote um uns herum unterwegs. Sie sind zwar beleuchtet, doch die Navigationslichter sind schwer oder gar nicht auszumachen, so dass wir ständig schauen müssen ob die Peilungen auslaufen – AIS hat natürlich keins der Boote. Auch diese Nacht geht vorbei und wir erfreuen uns an einem wunderbaren Sonnenaufgang. Die Wellen sind immer noch kurz und steil, die Wassertiefe wird stetig weniger, das Wasser immer brauner und sedimenthaltiger. Wir nähern uns dem Surinamfluß. Fast pünktlich sind wir an der Flußmündung und können bis zu ersten Fahrwassertonne den Kurs anlegen und segeln. Danach müssen wir den Motor starten, da wir den Wind direkt auf die Nase haben und die fahrrinne hier sehr schmal ist. Nach einigen Meilen sehen wir das flache Ufer, auserhalb des Fahrwassers sind Stellnetze ausgebracht. Die Fahrwassertonnen sind weit auseinander, aber die Rinne ist nun ordentlich tief und breit. Wir motoren den breiten Fluß entlang, vorbei an den ersten Dörfern, mit ihren bunten Häusern, vorbei an der Hauptstadt Paramaribo, vor der – Mitten im Fluß – das Wrack der deutschen „Goslar“ liegt. Von der Besatzung während des zweiten Weltkriegs versenkt. Eine interessante Geschichte, die auf Wikipedia nachzulesen ist. Nach der eindrucksvollen Jules Albert Wijdenbosch Brücke, sehen wir am Ufer einige Kais und die Raffinerie, dann wird es wieder ländlich. Schöne Häuser sind ans Ufer gebaut, mit großen schattenspendenden Dächern und überdachten Terassen, die auf Stelzen über das Wasser gebaut sind. Die gegenüberliegende Flussseite ist dichter Urwald. Am Nachmittag kommen wir in der Marina Domburg an, die vor dem gleichnamigen kleinen Dorf liegt. Die Marina besteht aus einigen Muringbojen, einem Dinghyanleger und einer Bar, die auch als Marinaoffice fungiert. Es gibt einen kleinen Pool und Duschen für Gäste.
Wir fühlen uns spontan ziemlich wohl hier. Die bunten Häuser sind meist gut gepflegt, in den Vorgärten blüht es bunt, die Plätze sind müllfrei…. Die Bevölkerung ist eine bunte Mischung aus Asiaten, Indern, Maroons (ehemalige Sklaven) und Weißen, entsprechend sind alle bekannten Religionen vertreten. Die Synagoge in Paramaribo steht direkt neben einer großen Moschee, christliche Kirchen aller Coleur sind vorhanden, eine große Anzahl der Einwohner sind Hindus. Die Amtssprache ist Niederländisch, doch man hört auch viele andere Sprachen auf der Straße. Die Menschen machen einen freundlichen und entspannten Eindruck, obwohl Surinam offensichtlich ein ärmeres Land ist.
Wir bekommen einen Eindruck davon, als wir uns nach Paramaribo zum einklarieren fahren lassen. Die Straße ist zwar geteert, aber der Untergrund wurde wahrscheinlich nicht gut genug befestigt, so dass der Asphalt nicht eben ist, sondern total wellig ist und oft tiefe Löcher aufweist. Nach fast einer Stunde sind wir am ersten Büro, bei dem wir uns melden müssen. Nach der MAS (Maritim Authorities Suriname) folgen die Forreign Affairs, ein kurzer Abstecher bei der Nationalbank und schließlich stempelt die Militärpolizei unseren Pass ab. Nach drei Stunden ist der Behördenmarathon geschafft, auch dank unseres Fahrers, der weiß wo welches Büro versteckt ist. Nachdem er uns wieder in der Marina abgesetzt hat können wir nun die gelbe Quarantaineflagge einholen, denn wir sind nun offiziell eingereist.
Langsam wird es Zeit weiter zu ziehen. Mittlerweile sind wir wieder das einzige Segelboot, das vor den Iles de Salut vor Anker liegt. Alle anderen sind schon weiter gesegelt. Nur ein Frachter liegt seit zwei Wochen 500 Meter entfernt und nervt etwas durch den ständig brummenden Generator und die blendende Decksbeleuchtung bei Nacht.
Wir machen uns abfahrbereit. Paramaribo in Surinam ist nicht sehr weit, 200 Seemeilen sind für den Ostseesegler eine Menge, auf dem Atlantik ist es jedoch keine große Distanz. Wir rechnen mit ein bis zwei Nächten, da wir früh morgens an der Flußeinfahrt ankommen sollten. Genau die Nächte sind aber das Problem. Der Meeresgrund entlang der Küste ist sehr flach, die 50m Tiefenlinie ist weit drausen, und entsprechend weit raus gehen auch die Fischer, deren Boote nicht alle nachts beleuchtet sind. Da heißt es möglichst weit raus und gut aufpassen! Leider haben wir keinen Vollmond mehr, wir müssen also die ersten Stunden im Dunkeln segeln….
Das Wetter wird sich auch in Surinam nicht groß ändern. Wir bleiben in den Tropen und das heißt feuchtheißes Klima. Soviel geschwitzt wie die letzten Wochen haben wir noch nie – und wir haben schon öfter heiße Klimazonen bereist. Hier kommt erschwerend hinzu dass wir immer auf Meereshöhe sind und die Nächte kaum abkühlen. Tagsüber sind die Temperaturen lähmend und wir sitzen viel im beschatteten Cockpit und freuen uns über jeden kleinen Windhauch. Es gäbe einige Dinge zu tun auf Piccolina, aber wir beschränken uns hauptsächlich auf Tätigkeiten am PC. Auch Lackierarbeiten sind bei diesen Bedingungen nicht mit einem zufriedenstellenden Ergebnis durchzuführen, also vertagen wir das auf später. Gestern hieß es dann zwei Stunden lang Dinghy schrubben. Die Unterseite war grün zugewuchert, auch einige Seepocken fanden gefallen am Gummiboot. Sehr mühsam das alles mit Bürste und Scotch wegzubekommen. Aber jetzt sieht unser Dinghy wieder hübsch aus und durfte die Nacht auch oben an der Reling verbringen, damit es schön sauber bleibt.
Nun verlassen wir also französisch Guyana. Was bleibt wohl in Erinnerung? Ganz sicher die Raketenstarts die uns immer Gänsehaut beschert haben und dazu die interessante Technik, in die wir auf dem CSG-Gelände einen kleinen Einblick erhalten haben. Dann natürlich die Inseln, mit ihrem fast schon karibischen Flair, durch die vielen Kokospalmen, aber mit einer grausamen Vergangenheit, die durch die wuchernde Natur teilweise nur noch zu erahnen ist. Da ist Kourou, eine Stadt – schwer zu beschreiben – mit ihren Wohnanlagen und auf dem Reisbrett entworfenen Vierteln, die der Stadt einen zerfledderten Wuchs geben. Dazwischen die Müllhaufen am Straßenrand und Bretterbuden aus Plastik und Wellblech wie im Dritte Welt Land. Praktisch direkt daneben Häuser die einen gepflegten Eindruck machen. Die Mehrheitlich dunkelhäutige Bevölkerung – Nachkommen der ehemaligen Sklaven – die sich untereinander in einer Sprache unterhalten, die wir als von Afrika stammend einordnen. Die vielen asiatischen, karibische und brasilianischen Einwanderer. Der riesige Regenwald und das kaum erträgliche Klima – und alles in einem europäischen Land auf dem amerikanischen Kontinent (die hohen Preise für Lebensmittel und in Restaurants sind vergleichbar mit den französischen).
Alles in allem war es dennoch eine gute Entscheidung hierher zu kommen, wir begegneten vielen freundlichen Menschen und fühlten uns hier wohl und sicher.
Nachdem wir wieder einen erfolgreichen und eindrucksvollen Ariane 5 Start miterleben durften – dieses Mal an einem sonnigen Nachmittag incl. Partystimmung am Strand – verproviantierten wir uns erst mal ordentlich. Nach den drei Wochen auf den Inseln sind unsere Vorräte etwas geplündert. Also heißt es Großeinkauf im Super U…
Dann heißt noch warten bis der Zoll wieder aufmacht. Das Zollboot ist schon seit ein paar Tagen nicht mehr an seinem Platz am Ponton im Hafen von Pariacabo, ca. eine Meile flußaufwärts von Kourou. Und das Boot legt immer mit der kompletten Mannschaft ab. Also kein Boot = niemand im Zollbüro! Erst Donnerstag abend kommen die Zöllner zurück. Dafür können wir am Freitag morgen ausklarieren, obwohl wir noch zwei Wochen auf den Inseln bleiben möchten. Nur falls sich der Termin verschieben sollte, müssen wir nochmal nach Kourou rein. Ansonsten geht es dann weiter nach Surinam.
Nun sind wir also wieder vor der Ile des Royale vor Anker, genießen das ausgiebige Schwimmen und die fast mückenfreien Abende. Dennoch stresst uns das Klima etwas. Die Tage sind heiß und feucht, oft geht kaum ein Windhauch. Nachts kühlt es kaum ab. Selten liegen die Nachttemperaturen im Boot unter 28Grad. Das entspricht nicht ganz unserer Wohlfühltemperatur. Schimmel allerdings gedeit hier prächtig und es ist nicht einfach den Modder vom Boot fernzuhalten. Jede Kleidung, die länger nicht benutzt wird wandert in Plastiksäcke, die evakuiert werden können. Das schützt und spart Platz. Im Boot sollte die Luft möglichst gut zirkulieren. Das frische Obst und Gemüse muss regelmäßig – falls nicht im Kühlschrank gelagert – durchgeschaut werden, damit Schimmel oder Fäule sich nicht ausbreiten kann, wenn etwas betroffen ist. Wir sind eben in den Tropen – mit allen Vor-und Nachteilen…
Seit diesem Freitag gib es grünes Licht für den nächsten Raketenstart. Die Ariane 5, die am 06.08. starten soll ist somit um fast zwei Wochen verspätet und der Grund warum wir unseren Inselaufenthalt so lange ausdehnen konnten. Aus der geplanten Woche sind nun drei geworden. Das frische Obst ist schon längst aufgebraucht, durch den Sparmodus konnten wir heute die letzte Zwiebel verarbeiten. Konserven, Mehl und Nudeln haben wir noch au gros und auch Wasser ist dank Wassermacher kein Problem. Aber da wir zum Raketenstart sowieso hier verschwinden müssen, werden wir die Gelegenheit nutzen und unseren Proviant auffrischen, beim Zoll ausklarieren um dann möglichst bald wieder hier auf die Inseln zu gehen. Einziger dicker Minuspunkt ist das fehlende Internet. Wir sind froh wenn wir unsere Mails geladen oder mal auf der www.arianespace.com aktuelle Infos bekommen, aber surfen oder die eigene Homepage updaten – keine Chance. Vielleicht muss ich ja tatsächlich auf den Funk zurückgreifen, aber da ist es leider nicht möglich Bilder hochzuladen.
Jedenfalls möchten wir noch einige Tage auf den Iles de Salut bleiben, bevor wir weiter nach Surinam ziehen, denn wir befürchten, dass es hier die einzige mosquitofreie Region ist, die wir anlaufen können, wenn wir auserhalb des Hurrikanegürtels bleiben möchten. Langweilig wird es uns auf den Inseln übrigens nicht. Abgesehen davon, dass Kochen, Brot backen, Wäsche waschen und andere alltägliche Dinge an Bord viel Zeit in Anspruch nehmen ist immer was zu schauen. Morgens kommen 4-5 Katamarane mit Tagestouristen, die später von der Iles de Royale auf die Iles de Joseph (oder umgekehrt) gefahren werden, meist sind ein paar private Fischerboote unterwegs. Alle paar Tage kommt ein Frachter mit Teilen oder Treibstoff für die CSG der dann ein paar Stunden oder auch Tage vor den Inseln auf Reede liegt, bevor er in den kleinen Hafen hinter Kourou kann. Ab und zu kommt ein großes Kanonenboot von der französischen Armee, auch dieses ankert gern mal im Schutz der Inseln. Etwas besorgt sahen wir eines Abends eine Rauchwolke und ein paar kleine Flammen auf dem Vordeck, ein Blick durchs Fernglas gab Entwarnung: die Uniformierten hatten die große Grilltonne angeworfen. BBQ auf dem Atlantik.
Eines Morgens ankerten zwei ca. 20 Meter lange, weiße Motorboote die in der Nacht angekommen waren am Rand unserer Ankerbucht. Keine typischen Fischerboote, dennoch jedes mit gut einem Dutzend Männer an Bord. Diese schruppen und putzen erst einmal gründlich ihre Holzschiffe, die unter venezoelanische Flagge unterwegs sind. Nach einigen Stunden Pause setzen sie ihre Fahrt Richtung Süden fort. Warum oder wohin sie unterwegs sind – keine Ahnung.