Unglaublich dieses Wetter. Wir genießen den verlängerten Sommer. Die Tage sind immer noch heiß, aber nicht mehr erdrückend, in den Nächten kühlt es angenehm ab, das Wasser ist wunderbar warm, die Strände leeren sich. Es ist die beste Zeit im Jahr. Während viele Segler schon ins Winterlager gehen, freuen wir uns an den lauen Bedingungen – na, meistens. Leider ist momentan nicht viel Wind, nicht mal der Seewind reicht zum richtig segeln. Meistens dümpeln wir mit gut zwei Knoten die Küste entlang und freuen uns, falls der Windmesser mal auf 8 und die Geschwindigkeit über drei Knoten geht. Jedenfalls wissen wir nun eindeutig dass Piccolina auch locker unter 10 Knoten Wind segeln kann. Es ist nur eine Frage der Welle. Und im Mittelmeer hat es bei fast keinem Wind auch keine Welle. Das war auf dem Atlantik doch ganz anders.
Weite Strecken schaffen wir mit der Geschwindigkeit natürlich nicht, dafür kann man bei Ententeich fast überall ankern. Ein ordentliches Sandpatch in der richtigen Tiefe reicht. Wenn dann noch eine Pizzeria in der Nähe ist – die Chancen sind da recht hoch in Sardinien – ist der Abend gerettet. Noch einen Vino Rosso dazu, nicht zuviel, da wir ja noch zum Boot zurückrudern müssen. Ja, da haben wir uns etwas umgewöhnt in den letzten Tagen und Wochen. Italien, oder vielleicht nur Sardinien ist nicht gut organisiert was das Anlanden mit dem Dinghy angeht. Das war auf den Balearen ganz anders und hat eigentlich auch ganz gut funktioniert. Dort sind praktisch alle Strände mit Bojen gesperrt, dafür gibt es aber extra Zufahrten über die man mit dem Dinghy an den Strand fahren kann. Hier ist zwar kein Strand abgesperrt, aber mit einem motorisiteren Dinghy darf man sich besser nicht am Strand blicken lassen, selbst wenn man langsam und bedächtig fährt. Warum die Nerven so blank liegen, können wir nur erahnen. Z.B. wenn ein Jetski innerhalb der Bucht, in der viele Schwimmer unterwegs sind, mit Vollgas Kreise dreht. Völlig daneben! Manchmal gibt es auch hier abgesteckte Zufahrten zu den Stränden, allerding kann es sein dass man sein Dinghy trotzdem nicht auf dem Strand parken darf, denn dort ist alles vom örtlichen SUP und Tretbootverleih und Bootstourenanbieter belegt, der uns dann erklärt, dass wir unser Dinghy nicht nebenan ablegen können. Ach ja, und die betonierte Anlegestelle nur 50 Meter weiter, die mit dicken Edelstahlringen ausgestattet ist, dürfen wir ja nicht anfahren, denn dort sind so viele Badegäste… Wäre nur interessant wer diesen Anleger finanziert hat – würde uns ja nicht wundern, wenn hier mit Eu-Finanzmitteln die Infrastruktur gefördert wäre. Schilder mit dem EU-Emblem haben wir die letzten Wochen jedenfalls häufig gesehen.
Auf dem Weg in den Norden ist für uns auch eine ganz besondere Ankerbucht dabei. Sie ist nicht hübscher oder geschützter als andere, aber genau hier haben wir vor 13 Jahren beschlossen segeln anzufangen. Und so legen wir uns in Arbatax vor dem Campingplatz in die Ankerbucht und schwelgen in Erinnerungen. Denn jetzt, wenn die Nachsaison anfängt kommen viele Motorradfahrer auf die Insel und wir können aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Sardinien ein Eldorado für Zweiradfahrer ist.
Arbatx selbst ist ein kleiner, zweigeteilter Ort, mit einer Marina an der Nordseite der Halbinsel, unsere Ankerbucht vor dem Campingplatz im Süden. Es gibt kleine Supermärkte, ein paar Restaurants und Cafés, der Strand ist noch ganz gut besucht, aber unser Dinghy hat noch Platz und es beschwert sich auch niemand darüber. Mit dem Bus fahren wir in die nächste Stadt Tortoli. Busfahrkarten gibt es leider nicht beim Fahrer, aber der hält einfach kurz vor einem Kiosk wo wir schnell rausspringen und Tickets kaufen können. Pro Fahrt einen Euro. Das sind wieder die angenehmen, unkomplizierten Dinge in Italien.
Tortoli ist eine Kleinstadt und es ist ein wenig mehr geboten als in Arbatax. Nett zum Schlendern, aber auch sehr übersichtlich, nur die Supermärkte sind etwas besser bestückt.
Nach ein paar Tagen segeln wir weiter. Der Golf von Orosei bietet wieder ein spektakuläre Felsüste mit vielen Grotten und Höhlen, aber als wir sehen wieviele Ausflugsboote jetzt, Anfang Oktober unterwegs sind, wird es uns ganz anders wenn wir daran denken wie es wohl in den Sommermonaten hier zu geht.
Vor dem Hafen La Caletta bleiben wir wieder ein paar Tage vor Anker. Der Waschsalon ist nur eine kurze Wegstrecke von der Dinghyanlegestelle und wir müssen mal wieder unsere Gasflaschen füllen. Der örtliche Gashändler liefert uns das Gas zum Hafen – super, dann müssen wir nicht so viel schleppen! Nach zwei Tagen sind unsere Flaschen wieder gefüllt, alle Wäsche frisch gewaschen und wir haben wieder viel Proviant im Boot verstaut. Die italienischen bzw. sardischen Spezialitäten sind einfach lecker und selbst viele kleine Supermärkte haben einen guten Metzger mit frischem Fleisch. Nach Portugal und Spanien müssen wir uns wieder etwas umgewöhnen, da die Stücke hier wieder anders zerlegt werden. Secreto oder Bäckchen gibt es hier nicht mehr, dafür kann man Rindfleischscheiben kaufen, die hervorragend für Rouladen geeignet sind. Und da es keinen Manchego mehr gibt, freuen wir uns an einem weichen Gorgonzola dolce. Leckeres Essen macht das Reisen doppelt interessant.
Während ich dies tippe ist es Mitte Oktober geworden. Wir liegen einsam in der Ankerbucht Cala Coda Cavallo. Als wir vor zwei Tagen hier ankamen, lagen noch ein paar größere Schlauchboote an Murings, es war eine Zufahrt zum Strand ausgesteckt, es gab eine Cafebude und ein Kiosk, bei dem man Touren zur Isola Tavolara buchen konnte am Strand. Dann am Samstag, wurden alle Bojen und Murings entfernt, am Abend wurden die Verleih-Tretboote weggeschleppt, am Sonntag wurde das Kiosk abgebaut, die restlichen Stühle, Tische, Liegen und Sonnenschirme weggeräumt. Heute am Montag ist der Strand leer. Bis zum nächsten Jahr. Und die Touristen, die ab heute kommen, werden alle denken: welche Idylle, hier ist ja gar nichts los. Leider ist heute, pünktlich zum Saisonende, auch das Wetter etwas schmudelig geworden. Am Nachmittag nieselt es aus der dicken, grauen Wolkendecke und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die langen Hosen aus dem Schrank gezogen werden.