Angekommen in Vila do Porto / Santa Maria / Azoren

Wir sind da! Unser bisher längster Schlag. Über sechs Tage waren wir unterwegs: 730 Seemeilen, das sind 1300km. Jetzt liegen wir glücklich und sicher im kleinen Hafen von Vila do Porto auf der südwestlichsten Azoreninsel.

Wir hatten, verglichen mit unseren anderen Passagen, viel einfachere Wetterbedingungen. Der Preis den wir dafür zahlen mussten, waren viele Motorstunden. Fast ein Drittel musste das „eiserne Segel“ herhalten. Anfangs waren die Bedingungen nicht ganz so angenehm wie wir uns das vorgestellt hatten. Kabbelige Wellen, die unsere Piccolina immer wieder ausgebremst hatten und unsere Gleichgewichtsorgane nach so langer Zeit im Hafen auf eine harte Probe stellte. Dafür hatten wir ab dem dritten Tag, fast keine Welle mehr. Wäre nicht die lange Dünung gewesen, hätte man den Atlantik mit dem Bodensee im Hochsommer vergleichen können, als hätte jemand Öl aufs Wasser gegossen. Allerdings mit dem gravierenden Unterschied, dass wir tagelang bis zum Horizont außer ein paar Vögeln nichts und niemand sahen. Diese Stimmung erinnerte mich an eine Saharadurchquerung in Libyen, bei der sich das Motorrad auch langsam den Dünen folgend auf und abwärts bewegte und man fast das Gefühl von Raum und Zeit verlor.

öliges Wasser

Mit der Zeit stellte sich so etwas wie Bordroutine ein. Halbdurchwachte Nächte wechselten sich ab mit faulen Tagen, an denen der fehlende Schlaf nachgeholt wurde. Dazwischen immer wieder Zeit, gedankenverloren aufs Wasser zu starren, zu lesen, zu philosophieren.

Als das erste Frachtschiff seit vier Tagen am Horizont auftauchte, waren wir fast schon erschrocken. Nachdem Stunde um Stunde vergeht, in dem man auf die einsame See blickt und das AIS kein Anzeichen von anderen „Verkehrsteilnehmern“ zeigt, ist es richtig aufregend, das Signal eines Frachters in 25 Meilen zu bekommen, der dann in einer Meile Entfernung die eigene Kurslinie kreuzt. Und dann taucht nach sechs Tagen eine Insel aus dem Dunst auf. Man kommt immer näher, kann irgendwann Details wie Häuser und Leuchttürme ausmachen.

Santa Maria im Dunst

Es war wunderbar hier anzukommen. Nachdem wir im Hafen ganz langsam ein Runde gedreht hatten um nach freien Plätzen zu schauen, nahm der Uniformierte der Policia Maritima (!) unsere Leinen entgegen und half uns beim Anlegen. Wo wird man denn noch in der Welt bei der Ankunft von der Marinapolizei und dem Marinero mit Handschlag begrüßt? Wir fühlen uns hier sofort willkommen!

//WL2K Zu den Azoren, sechster Tag

Wir vorhergesagt von unseren per Kurzwelle heruntergeladenen Winddaten (grip-files) kommen wir unter Segel die ganze Nacht gut voran. Selten fällt die Geschwindigkeit unter 6 Knoten. Zum Morgengrauen lässt der Wind dann nach, wir dümpeln meist mit 3-4 Knoten durchs Wasser und immer wieder flappen die Segel, wenn die Wellen Piccolina gieren lassen.
Die ganze Zeit sind wir am Rechnen, ob es noch reicht, dass wir morgen bei Tageslicht in Santa Maria ankommen. Es ist nicht mehr weit – keine 120 Meilen, das wäre ein normales Etmal, vorausgesetzt die Brise füllt ein klien wenig stetiger unsere Segel.
Ansonsten genießen wir den Tag, bei schönem Wetter und angenehmen Temperaturen und freuen uns schon sehr auf die grünen Vulkaninseln mitten im Atlantik.
Noch ca. 120 Meilen bis Santa Maria

//WL2K Zu den Azoren, fünfter Tag

Nach einem absolut windstillen Tag, an dem sich kein Lüftchen bewegte, konnten wir zum Abend doch noch Segel setzen um bei einer leichten Brise auf dem spiegelglatten Wasser durch die endlose Weite des Atlantiks dahinzugleiten. Das ist Blauwassersegeln vom Feinsten 🙂 ! Leider war die Freude nur kurz und zeitgleich mit dem Tageslicht ging auch der Wind wieder aus. Gerade mal 3 Knoten waren noch auf dem Windmesser angezeigt. Zu wenig um Piccoina in Fahrt zu halten. Also musste doch wieder der Motor, oder der Flautenschieber wie auch gern genannt wird, ran und mit moderater Drehzahl ging es weiter Richtung Nordost.
Nachts bemerkten wir plötzlich ein Licht am Horizont achteraus. Madeira? Nein, kann ja nicht sein. Doch dann sehen wir, wie sich die gelbe Mondscheibe, fast zum greifen nah, langsam aus dem Meer erhebt. Nicht mehr ganz rund, auf der rechten Seite schon leicht eingedellt erhellt er unsere Nacht und zaubert wieder eine wunderbare Stimmung herbei. Da ziehen sich die Nachtwachen nicht ganz so lange hin, wenn einen die silbern glänzende Wasseroberfläche zum Träumen verführt.
Seit dem Vormittag benutzen wir wieder unser alternatives Energiekonzept um voranzukommen ;-). Zwar langsam, dafür haben wir Zeit und Muse lecker Brot zu backen. Heute Nacht oder morgen früh soll wieder etwas mehr Wind kommen, da haben wir dann das Zentrum des Hochdruckgebiets durchquert.
Was wir wohl gerade auch durchfahren ist die Großkreisroute zwischen der Straße von Gibraltar und der südlichen USA. Wir sind richtig erstaunt, als wir das erste Schiff seit Tagen (besser gesagt seit den Kanaren!) auf dem AIS-Plotter auftauchen sahen. Und dann fuhren wir gerade mal im Abstand von einer Meile aneinander vorbei. Andere Schiffe folgten, allerdings zu weit weg, so dass wir sie nur elektronisch sehen konnten.
Noch rund 230 Meilen bis Santa Maria

//WL2K Zu den Azoren, dritter und vierter Tag

Auch der dritte Tag unsere Überfahrt bringt uns viele Wolken. Der Wind nimmt ständig ab, dann wieder kräftig zu, so dass wir dauernd die Genua ein- und ausreffen. Immerhin ist die Windrichtung fast konstant und wir können immer noch direkten Kurs Azoren anlegen. Gegen Mittag kommen auf ein kurzes Hallo ein paar Delfine vorbei, doch sie halten sich nicht lange bei uns auf, sondern ziehen schnell weiter. Der Tag vergeht wie im Flug mit schlafen, essen, lesen und immer wieder and den Segeln zupfen.
Zu Beginn der Nacht schläft der Wind dann ganz ein, wir rollen das Vorsegel weg und starten den Motor. Es liegt ein großer Hochdruckkern mit sehr wenig Wind vor uns. Der Mond kann sich selten zwischen den Wolken durchkämpfen und verbreitet nur sehr difuses Restlicht.
Als am nächsten Morgen die Sonne aufgeht ist der Himmel immer noch bedeckt, aber von Stunde zu Stunde verziehen sich die Wolken, bis nur noch ein paar weiße Wattebäusche den tiefblauen Himmel zieren. Auch der Atlantik liegt nun müde und spiegelglatt vor uns. Wir motoren durch dicke, ölige Flüssigkeit. Die kleinen Wölkchen spiegeln sich in der Wasseroberfläche so spiegelglatt ist das Wasser. Die langgestreckte Dünung ist kaum mehr auszumachen, ganz sanft hebt und senkt sich Piccolina durch das bleierne Meer.
Wir genießen die Sonne, die Wärme und die Einsamkeit, und lassen uns vom monotonen Motorgeräusch nicht stören. Bis zum Abend sind es noch 330 Restmeilen zu den Azoren.

//WL2K Zu den Azoren zweiter Tag

Nachdem wir schon am Sonntagabend an den Tanksteg verholt hatten, konnten wir am Montag gleich nachdem wir unsere Dieselvorräte gefüllt hatten ablegen. Drausen im großen Hafenbecken des Industriehafens zogen wir unsere Segel auf und segelten auf einem Holeschlag mehrere Meilen nach Osten um die vorgelagerte Halbinsel Isleta umfahren zu können. Die See vor Gran Canaria war kabbelig, der Wind schwach und wir waren froh, als wir die Wende fahren konnten um den richtigen Kurs zu den Azoren anlegen zu können, da wir nun auf dem besseren Bug segelten. Auch der Wind nahm zu und so sahen wir Grand Canaria langsam im Dunst verschwinden.
Am Abend segelten wir an der Nordostspitze von Teneriffa vorbei, welche in dicke Regenwolken gehüllt war. Der Wind legte stetig ein wenig zu, so dass wir zur Nacht das zweite Reff ins Groß banden. Trotz Vollmondnacht, hatten wir nur wenig Licht, da der Himmel dicht bewölkt war. Wir kamen ganz ordentlich voran und hatten am Morgen 120sm zurückgelegt, obwohl wir die ersten Stunden kaum vom Fleck kamen.
Auch am zweiten Tag konnten wir bei 4-5 Bft immer am Wind direkten Kurs auf die Azoren nehmen Der Himmel war fast durchgehend von einer zähen Wolkenschicht bedeckt, aber die Temperaturen sind dennoch sehr angenehm.
Die ersten zwei Tag waren etwas zäh. Unsere Seebeine haben wir in den 4 Monaten! Las Palmas kompett verloren und sie brauchen Zeit wieder nachzuwachsen. Der Aufenthalt unter Deck wird auf ein Minimum begrenzt – außer zum Schlafen – und so sitzen wir meist mit leicht flauem Magen im Cockpit und schauen aufs Meer.
Auch die zweite Nacht ist meist Wolkenverhangen, den Mond bekommen wir erst am frühen Morgen zu Gesicht, als er es schafft sich an den Wolken vorbeizuschummeln und uns mit seinem Silberlicht die Nacht verzaubert. Der Wind flaut langsam ab, dafür beschert uns Mutter Natur einen wunderbaren Sonnenaufgang. Im Osten schiebt sich langsam die Sonne über den Horizont um gleich wieder in einem weit entfernten Wolkenband zu verschwinden, im Westen steht noch der volle Mond über dem Atlantik. Das Farbspektrum wandelt sich vom dunklen Blau in hellere Pastelltöne und die umgebenden Cumuluswolken werden von der Sonne in rosa und lila Farbtöne getaucht. So schön!
Mittlerweile haben wir uns erstens etwas an die Schaukelei gewöhnt und zweitens sind die Wellen etwas weniger geworden, die Mahlzeiten werden regelmäßiger und die Portionen gehaltvoller. Ganz langsam kehrt Bordroutine ein. Etwa ein Drittel der Wegstrecke liegt hinter uns. Bleibt zu hoffen, dass uns der Wind nicht so schnell ausgeht, denn irgendwann werden wir direkt in das Hoch segeln, das sich momentan zwischen den Azoren und den Kanaren befindet.
Noch 470 Meilen bis Santa Maria