Überfahrt zu den Azoren: die ersten Tage – Kurs Nord

Um 8 Uhr gehen wir Anker auf zu unserem bisher längsten Schlag. Luftlinie etwa 2200 Seemeilen, doch da werden noch ein paar drauf kommen, da wir wegen der Winde bzw. besser gesagt der fehlenden Winde in den Roßbreiten zuerst etwas Nord machen werden um dieses Flautengebiet möglichst zu umfahren. Zu Beginn motoren wir allerdings erst südlich um das vorgelagerte Riff herum, setzen Segel (das Groß im ersten Reff und die Fock) und segeln um den nördlichen Teil der Insel. Das Wetter ist bewölkt, so wie die letzten Tage auch und es steht schon überraschend viel Schwell an der Westküste. Wir haben gerade unsere Windfahne Fanni auf Kurs „am Wind“ gesetzt und sind nun an Barbuda vorbei. Der Wind briest auf. Wir binden das zweite Reff ins Groß doch es ist immer noch etwas zuviel Tuch gesetzt. Also reffen wir die Fock etwas. Dann ein Knarzen und ein Schlag! Oje! Wir sind noch keinen halben Tag unterwegs und schon den ersten Schaden – komplett selbstverschuldet. Die Schoten waren noch nicht ganz lose und wir waren schon am einholen der Reffleine, da zupft die Schot durch eine Böe nochmals kräftig am Segel. Peng – der Umlenkblock der Reffleine reißt und der Mantel der Leine ist komplett durch. Sie hängt nur noch an der Seele. Also nun gaaaanz vorsichtig die Fock eingerollt und zum Nachdenken und Lage sortieren erst mal ein ganz klein wenig die Genua raus. Unsere Windfahne Fanni steuert brav und wir atmen erst mal tief durch. Wir haben Glück im Unglück. Den Doppelumlenkblock für die Reffleinen der Vorsegel können wir durch zwei einzelne ersetzen und die Fock hat noch genügend Reffleine auf der vorderen Trommel, so das wir das kaputte Ende abschneiden können. Durch die doch etwas höhere Welle ist es nicht ganz angenehm vorne am Bug den Furler inclusive der Schoten zu drehen, damit die Reffleine wieder ausreichend lang ist und komfortabel bis ins Cockpit reicht. Dann müssen nur noch die Schoten erneut angeschlagen werden. Zum Test die Fock einmal ganz gesetzt. Alles OK! Nun reffen wir wieder etwas damit wir nicht ganz so auf der Backe liegen und verdauen erst mal den blöden Fehler und die prompten Folgen. So etwas darf uns nicht nochmal passieren!
Den ganzen Tag haben wir viel mehr Wind als die angesagten 15 Knoten. Ein Squall nach dem anderen kommt an, teilweise mit ordentlich Regen und Böen mit 40 Knoten sind keine Seltenheit. Entsprechend ist die Welle nicht nur hoch, sondern unangenehm steil und Piccolina wir immer wieder voll ausgebremst wenn sie gegen einen Wellenberg fährt. Dennoch kommen wir zügig voran, aber entspannt geht anders. Wenigstens sind wir durch die viele Segellei und die ständige kleine Bewegung des Bootes vor Anker an Schaukelei gewöhnt, so dass Seekrankheit kein Thema ist. Hoffentlich geht das nicht so bis Horta! Das Abendessen fällt einfach aus: Rührei mit Zwiebel und (unserer letzten) Tomate. Die Nacht wird wie erwartet auch nicht sehr erholsam. Obwohl der Wind etwas moderater und die Welle langsam runder wird, können wir beide während unserer Freiwache nicht gut schlafen. Das ist meist so und wir wissen, das das  Erfahrungsgemäß in den nächsten Tagen besser wird. Dennoch heißt es von nun an möglichst auch mal am Tag etwas Schlaf nachzuholen, da man sich ja die halbe Nacht wegen der Wache um die Ohren schlägt.
Etmal (zutückgelegte Distanz der letzten 24 Stunden) : 130 Seemeilen

Der nächste Tag fängt gleich mit einem Squall an. Nur ein kleiner, dafür wie aus dem Bilderbuch: erst Wind weg, dann Winddreher und am Ende der Wolke  kräftige Böen gepaart mit Regen. Wir verdrehen schon die Augen! Nicht  schon wieder so ein Tag wie gestern. Doch das wird er nicht. Im Gegenteil. Die dunklen, grauen Regenwolken verschwinden und am strahlend blauen Himmel sind nur noch weiße Cumuli zu sehen. Eine typische Passatbewölkung. Wir haben einen angenehmen Am Wind Kurs. Piccolina rennt und wir genießen die guten Bedingungen. Aber eine richtige Bordroutine hat sich noch nicht eingestellt. Wir sind den ganzen Tag beschäftigt.

Ein großer Teil der Zeit nimmt der Kurzwellenfunk ein. Der Tag fängt an mit Sprechfunk und dem Morgenetz von Intermar, um 5 Uhr unserer Zeit. Danach versuchen wir per Pactormodem und email unsere Position abzusetzen und Wetterdaten herunterzuladen. Geht heute morgen ausgesprochen schlecht. Nach einer halben Stunde beschließen wir, die notwendigen großen Files lieber gegen Abend abzuholen. Zwischendurch frühstücken wir erst mal ausgiebig, nach dem etwas mageren gestrigen Tag. Da der Wind etwas nachläßt, rollen wir die Fock ein und setzen die Genua. Erst etwas gerefft, aber nach und nach können wir sie voll ausreffen. Es ist ein herrlicher Segeltag. Der Wind ist zwar nicht stark, aber dadurch dass nun kaum noch Welle ist, kommen wir gut voran und Fanni steuert erstklassig. Die Sonne scheint, es ist noch tropisch heiß und wir erfreuen uns am Fahrtwind.

Ein Squall in der Ferne beschert uns einen Regenbogen

Am Abend noch hohe Cumuli


Zum Mittagessen gibt es selbst eingemachtes Gulasch mit Semmelknödel und ein wenig Gurkensalat. Davor noch die „Abendrunde“ von Intermar, die für uns vor Ort um 12:30 Uhr eher eine Mittagsrunde ist. Zwischendurch wird immer mal wieder ein wenig an den Segeln gezupft. Am späten Nachmittag klappt es dann ganz ordentlich mit unserer Pactorverbindung und wir können die ersehnten Daten herunterladen. Mit der aktuellen Wetterkarte und den Grib-Files haben wir einen ganz guten Überblick über die Wettersituation, außerdem bekommen wir gute Infos von der Intermarrunde, besonders Uwe (DD1HUR) gibt uns noch einige gute praktische Tips und schaut für uns auch Wetterdaten an, die nur mit richtigem Internetzugang und entsprechenden Fachkentnissen auswertbar sind.
Die nächsten zwei Tage ändert sich das Wetter wenig. Wir laufen praktisch direkt nach Norden. Erstens werden wir dort wahrscheinlich am einfachsten durch die Hochdruckzone kommen, zweitens läuft Piccolina so ganz prima, ohne dass wir zu hoch an den Wind knüppeln müssen. Wir merken dass der Wind langsam etwas weniger wird. Die Flautenlöcher werden größer und wir halten schon nach den großen Wolken Ausschau in der Hoffnung dass sie uns etwas mehr Wind bescheren.
Auch die Nächte werden entspannter, obwohl wir immer noch etwas Schlafmangel haben, da wir tagsüber noch zu wenig schlafen. Noch ist Halbmond und nach Mondaufgang ist die Wache einfacher, dafür ist der Sternenhimmel zu Beginn der Nacht irre schön, wenn nicht das kleinste Streulicht die Dunkelheit stört.
Ganz wichtig ist gutes Essen an Bord. Der angenehme Kurs und die wenige Welle lassen unsere Seebeine schnell wachsen und so steht auch etwas aufwändigeren Mahlzeiten nichts im Weg und lässt die gute Laune weiter ansteigen. So gibt es am dritten Tag eine Quiche mit Zwiebeln und Karotte, einen Tag später öffnen wir eine unserer Entendosen aus Frankreich und machen Entenkeulen mit caramelisierten Zwiebeln in Orangensauße dazu die Semmelknödel vom Vortag in Butter angebraten und selbst eingekochtes Rotkraut – schließlich ist ja auch Sonntag 😉

Sonntagsessen…


Zur Feier des Tages gibt es am späten  Nachmittag auch endlich einen Biss an der Angel. Der Erste seit wir vor zwei Tagen die Angel raus haben. Wir fangen einen herrlichen, etwa einen Meter langen Wahoo. Den größten Fisch den wir bis jetzt an Bord geholt haben. Wir schneiden die Filets heraus und alles was sonst noch verwertbar ist und unser Kühlschrank bekommt geschätzte vier Kilo Fisch vom feinsten in seinen Bauch. Der Speiseplan der nächsten Tage wird spontan geändert und am Montag gibt es – etwas ungewöhnlich – Ceviche, also roher Fisch in Olivenöl und Zitronensaft mariniert am späten Vormittag zum zweiten Frühstück und Nachmittags machen wir Sushi und Sashemi aus dem äußerst schmackhaften Wahoo.
Die Tage gehen fließend ineinander über. Langsam stellt sich Bordroutine ein, mit den festen Funkzeiten, dem Laden der Wetterdaten, Kochen und Essen, etwas Schlaf nachholen und an den Segeln zupfen ist der Tag schon fast gefüllt. Viel Zeit mal ins Cockpit zu sitzen und zu lesen bleibt eigentlich nicht. Dafür es ist momentan sehr entspanntes segeln.

Den Sonnenuntergang genießen wir jeden Tag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.