Überfahrt zu den Azoren: die Westwindzone

Mittlerweile befinden wir uns nördlich der Roßbreiten bzw. des Hochs und können nun mit den westlichen Winden langsam in Richtung der Azoren eindrehen. Dennoch kommt jetzt der kniffligere Teil der Reise. Das Hoch ist zwar relativ stabil, dennoch ändert sich seine Form ständig ein wenig. Es bekommt mal eine Ausbuchtung nach Norden, dann wird es wieder eingedrückt, es wabert ständig etwas herum. Momentan kommt ein Tief nach dem anderen an der Ostküste der USA nach Nordosten gezogen. Die besten Bedingungen finden wir zwischen diesen Druckgebilden. Etwas weiter zum Hoch wird der Wind etwas schwächer, gehen wir mehr nach Norden, kommen wir mehr in den Einfluß der Tiefs und der Wind ist etwas stärker. Doch Vorsicht! Manche Tiefs bringen auch Sturm oder zuviel Wind und vor allem auch viel Welle. Und dann sind da noch die (Kalt)-Fronten auf die man achten sollte. Diese bringen im Frontbereich gerne mehr Wind als einem lieb ist, bei Durchzug der Front dreht der Wind erheblich und hinter der Front kann es auch mal sehr wenig Wind geben. Und das alles gepaart mit Kreuzsee und fieser Welle. Ab jetzt heißt es also immer gut informiert zu sein, wie das Wetter der nächsten Stunden und Tage aussieht. Dabei helfen uns Wetterkarten und Girb-Files die wir per Pactor Modem und Kurzwelle herunterladen können und fast jeden Tag bekommen wir eine mail von Uwe (DD1HUR) von Intermar, der uns nicht nur seine Interpretation der Daten sendet, sondern auch mit etwas längerfristgen Prognosen versorgt. Auch wenn es,  wie er es ausdrückt, manchmal nur ein Blick in die Glaskugel ist. Dennoch sind wir vorgewarnt was kommen könnte.
Immer noch versuchen wir uns zweimal am Tag in der Intermarrunde auf Kurzwelle 14,313Mhz zu melden. Die Ausbreitungsbedingungen sind nicht immer gut. Wir können die Netcontroller fast immer hören, aber wir selbst kommen nur selten per Sprechfunk bis nach Deutschland. Dafür helfen uns hin und wieder Amateurfunker die auch in die Runde hören und ein QSP, also ein Relay machen. Vielen Dank dafür an die entsprechenden Stationen! Mit Federico (EA8AEW) aus Tazacorte, den wir persönlich kennen, konnten wir bis jetzt jedes Mal ein direktes Gespräch (QSO) führen, was sicherlich nicht nur daran liegt, dass die Station auf den Kanaren liegt und somit einige hundert Kilometer näher.
Die Datenmenge der Wetterkarten ist für Kurzwelle nicht ganz klein und wir sind total begeistert von unserem Pactor 4 Modem, das mit dem nachgerüsteten Bluetoothmodul Geschwindigkeiten erreicht, von denen wir früher nur hätten träumen können. Schnellste Übertragungsrate bislang waren 5500bps, damit bekommen wir eine Wetterkarte in weniger als einer Minuter heruntergezogen, zuzüglich dem ganzen Prozedere der Einwahl und dem „Handshake“ mit der Station. Das Modem kann durchaus noch höhere Geschwindigkeiten, keine Ahnung ob das mit unserem Setup auf dem Boot geht, bei schlechten Verbindungen öddeln wir manchmal auch noch bei 300 odef 450bps rum, aber das ist sehr selten geworden, denn momentan können wir sehr gute Stationen erreichen wie den VE1YZ in Halifax und nun wieder unseren Favoriten HB9AK bei Bern, den wir früher schon im östlichen Atlantik benutzt haben.

Die Nächte sind kühler gworden. Längst sind lange Hosen und Jacken für die Nachtwachen angesagt und eine Decke liegt auch bereit. Tagsüber haben wir immer noch schönes Wetter und sehr warme Temperaturen. Nun kommem wir Horta schnell näher, denn nun können wir direkten Kurs anlegen, aber es sind immer um die 1500 Seemeilen die wir segeln müssen. Eine Seemeile beträgt übrigens 1,852 Kilometer, um den Maßstab mal zu verdeutlichen. Und so ein Segelboot ist ja eigentlich echt langsam,  wenn wir richtig schnell sind haben wir 7 oder 8 Knoten auf der Logge, das sind gerade mal 15km/h. Da ist man mit dem Fahhrad ja noch schneller. Dafür segeln wir aber auch 24 Stunden am Tag. Manchmal ist es ganz schön mühsam, die alltäglichen Dinge während des Schaukelns zu erledigen. Da avaciert Kochen zum Akrobatikakt und man hätte manchmal gern vier Hände, wenn man mal wieder was aus dem luvseitigen Schapp braucht damit einem nicht alles entgegenpurzelt, wenn man das Türchen aufmacht und der Inhalt der Schwerkraft folgen will. Man lernt auch hier dazu. So wird z. B. die Kaffezubereitung komplett auf dem Herd bewerkstelligt, da dieser halbkardanisch aufgehängt ist. Für uns am schlimmsten ist der „Vorwind Kurs“. Keine Ahnung wer das Gerücht in die Welt gesetzt hat, daß dieser Kurs ein angenehmer Kurs wäre, der hatte jedenfalls keine Welle dazu. Denn dann giert das Boot von 20° in die eine  auf 20° in die andere Richtung. Da kann man nicht mal was in die leeseitige Ecke stellen und es bleibt dort, nein, es gibt keine Leeseite und alles, aber auch wirlich alles das nicht mit Bedacht auf eine rutschfeste Matte gelegt oder entsprechent eingekeilt wurde, findet früher oder später seine ideale Flugbahn durchs Schiff. „Am Wind“ Kurse sind da viel angenehmer. Das Boot liegt beständig auf einer Seite und somit kann man auch mal kurz was abstellen ohne dass es gleich auf dem Boden liegt. Auch das Schlafen ist am Wind viel angenehmer. Erstens ist es nicht so laut, da ja alles in den Schränken nun kompakt auf einer Seite liegt und nicht mehr klappernd und scheppernd hin und her rutscht, sondern man selbst kann sich ganz enspannt in die Leekoje legen und wird mit sanftem Druck gegen die Lehne gepresst, dabei das sonore Grugeln wenn Piccolina durchs Wasser brescht. Eine angenehme Geräuschkulisse. Auf „Vorwind Kurs“ geht ohne Leesegel nichts. Auf der einen Seite die Lehne, auf der anderen Seite eine stabile Stoffbahn die verhindert, dass man auf den Boden kugelt. Enspannt schlafen geht anders.
Da nun kein Fisch mehr übrig ist, wird das gekocht, was als erstes weg muß: Bratkartoffeln mit Speck und Spiegelei und am nächsten Tag die restlichen Entenkeulen, wiederrum mit karamelisierten Zwiebeln, Rotkraut und Kartoffelpüree. Nur eine Stunde später geht die Kaltfront durch, die wir erwartet haben. Das ist schon etwas spooky. Den ganzen Tag hat sich die Bewölkung verdichtet, dann war es plötzlich nochmal etwas klarer, was uns etwas verwundert hatte, aber danach kamen deutlich die Wolken der Front angezogen. Dann ein kühler Luftstrom, bevor ein kräftiger Schauer runterkommt und direkt dazu ein Winddreher von ca. 100°, verbunden mit einigen kräftigen Böen. Bilderbuchkaltfront. Eigentlich muß man sie nur einmal so auf dem Wasser erlebt haben, dann braucht man sie für keine Wetterprüfung mehr auswändig lernen. Wir waren gut vorbereitet, fuhren eine Halse in strömendem Regen und 10 Minuten später war fast alles wieder vorbei, nur der Wind brauchte etwas länger, bis er wieder ganz konstant ohne Wirbel aus einer Richtung kam.
Am Abend dann Bergfest. Gleich viele Seemeilen auf der Logge wie Luftlinie zum Ziel. Wird also wohl nicht genau halbe Strecke sein, aber viel besser können wir es ohne Aufwand nicht abschätzen.
Irgendwie verpassen wir in der Nacht nach der Front etwas den Anschluss. Mist, nun ist der Wind weg. Wir motoren ein paar Stunden um wieder in ein Windfeld zu kommen. Wir setzen die Genau und segeln in herrlichen Sonnenschein durchs tiefblaue Wasser, in dem ständig portugiesische Galeeren vorbeischwimmen oder soll ich lieber segeln schreiben? Sie sehen wirklich schön au, mit der rosanen Blase über dem Wasser, aber in die Tentakel unter Wasser möchte man nicht geraten, denn daa muß wirklich sehr schmerzhaft sein. Wir genießen den Tag, zum Mittag gibt es nochmal Bratkartoffeln mit Speck und Spiegelei.

Portugiesische Galeeren segeln am Boot vorbei


Am nächsten Morgen setzen wir zur Genua die ausgebaumte Fock und segeln mit Schmetterling vor dem Wind. Herrlich. Das sind richtig schöne Segeltage, inclusive tollem Wetter. Die Temperaturen sind auch im  Wohlfühlbereich. Was will man mehr?


Heuts gibt es mal eine Konserve (Kartoffeleintopf) dazu frisch gebackenes Brot. Die Dosen, die wir in Deutschland als „schlecht Wetter Essen“ gekauft haben, möchten wir nicht wieder nach Europa mitnehmen.

Mit frischem Brot schmeckt alles lecker


Wir segeln zügig durch die Nacht, aber da der Wind leicht dreht, können wir am Morgen die Passatbesegelung nicht mehr weiter fahren und so holen wir die Fock ein, die Genua etwas an und schaukeln uns weiter Horta entgegen. Die nächsten Tage segeln wir vor einer Kaltfront her, die uns zwar nicht mehr einholt, da sie sich weiter in den Norden schiebt und sich dort auflöst. Sie versorgt uns mit ordentlich Wind, so um die 4-5 Bft, aber leider auch mit mehr Welle als uns lieb ist. Zuerst segeln wir nur mit der Genua, doch dann setzen wir wieder das Groß ins dritte Reff und verkleinern die Genua ein wenig. Sowohl Wind als auch Welle nehmen über mehrere Tage stetig zu, die Genua reffen wir immer mehr. Der Wind hat nun beständig um 5 Bft, vielleicht auch mehr, die Wellen haben ein geschätzte Höhe von 4-5m, die signifikante Wellenhöhe ist mit 3 angegeben. Der Seiseplan auf Piccolina passt sich dem nicht vorhandenen Komfort an, Gerichte wie Eierhaber mit Apfelmus, eingemachter Gulasch mit Reis und schließlich die allerletzte Konserve aus Deutschland bedeuten wenig Aufwand in der Pantry und einfaches Essen aus der Schüssel. Die Wellen klatschen nicht mehr nur an die Bordwand, einige schaffen es problemlos an Deck und gehen übers Achterdeck, schließlich schafft es eine sogar bis ins Cockpit, was es bisher noch nie gab. Dennoch war es nicht ganz so schlimm, denn wir haben schon seit ein paar Tagen unsere kleine Kuchenbude eingezogen, die das Cockpit in zwei Teile trennt und man sich im vorderen Bereich fast wie in einem Decksalon fühlt. So konnte nur eine geringe Wassermenge durch den halb geöffneten  Reisverschluss ins Innere Cockpit gelangen.
Unsere Windsteueranlage Fanni macht einen erstaunlich guten Job und steuert die Wellen sehr gut aus. Nur wenn ein paar hintereinander das Heck von Piccolina stark versetzen, baucht sie eine ganze Weile bis sie wieder auf Kurs ist. Und auch wenn es etwas unkomfortabel zugeht kommen wir doch prächtig voran. Über 6 Knoten im Durchschnitt läuft Piccolina, da sie aber durchaus bergauf und bergab fahren muss, surfen wir manchmal mit 10 Knoten die Wellen hinunter, was schon fast unheimlich ist. Immerhin liegt unser etmal die letzte Tage immer über 145 Seemeilen.

Die Wellenberge werden schon ziemlich hoch

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