Fertig zum Abflug

Die letzten Wochen haben wir wenig von uns hören lassen. Wir waren damit beschäftigt unsere „to do“-Liste abzuarbeiten. Haben wir nicht ganz geschafft, aber einige Dinge die uns wichtig waren konnten wir abhaken. So haben wir z. B.  die Bugstrahlruderbatterie (was für ein Wort! ) nach vorne gelegt, den Fußschalter für die Ankerwinsch gewechselt, verschiedene Abdeckungen für Luken und Außenborder genäht und viele andere Kleinigkeiten erledigt. Dazwischen war aber auch noch Zeit für kleine Ausflüge. Einen sehr netten Abstecher machten wir nach Agüimes, als uns hier mal wieder das trübe Wetter auf den Nerv ging. Ein sehr nettes Städtchen mit einem hübschen Altstadtkern und überall trifft man auf Bronzefiguren. Sehr angenehm für einen Nachmittagsausflug.

Sonntagnachmittag in Agüimes

Nach langem Hin und Her haben wir beschlossen dass wir den Sommer auf den Azoren verbringen möchten. Freunde schwärmten von den Inseln und haben uns sehr neugierig gemacht. Allerdings ist es nicht ganz so einfach dort hin zu kommen. Jeden Tag studieren wir sämtliche Windvorhersagen. Der Wind auf den Kanaren kommt meist aus dem nördlichen Quadrant und so warten wir auf ein Wetter/Windfenster das uns passend scheint. Für nächste Woche sind einige Tage NO angesagt. Das könnte klappen, zumal sehr wenig Welle vorhergesagt ist, allerdings wird es dann ein Amwind oder Hoch am Wind Kurs. Jedenfalls machen wir unser Boot startklar, dann können wir los, sobald das Windfenster ausreichend erscheint. Die Wahrscheinlichkeit auch einige Stunden (hoffentlich nicht Tage) motoren zu müssen ist leider auch recht hoch, da die Azoren oft mitten in einem Hoch liegen und dort dann kein oder nur sehr wenig Wind herrscht.

Wir hoffen auch von unterwegs den ein oder anderen Beitrag senden zu können (wenn die Technik nicht versagt). Ansonsten updaten wir zweimal täglich unsere Position unter Position DH2RR

Kármánsche Wirbelstraße – schon mal was davon gehört?

Wir auch nicht – bis vor kurzem. Seit wir im Hafen von Las Palmas liegen, haben wir nämlich mit diesem Phänomen zu kämpfen.

Wir liegen mit unserer Piccolina quer zur Hauptwindrichtung auf der Insel. Besser gesagt, der Wind kommt meist entweder von etwas vorlicher als querab oder etwas achterlicher als querab (für Nichtsegler: nicht ganz genau von der Seite sondern leicht schräg von vorne oder hinten). Unser Mast – ziemlich genau 16m lang – hat ein symmetrisches, ovales  Profil. Wenn nun ein stetiger Wind  bläst, bilden sich gegenläufige Wirbel hinter dem umströmten Körper (Mast) aus. Die sogenannte Kármánsche Wirbelstraße. Das merken wir wahrscheinlich meist gar nicht, außer die Ablösefrequenz der Wirbel entspricht der Eigenfrequenz des umströmten Körpers (unseres Mast’s) und er wird in Schwingung versetzt. Das ist bei uns bei etwa 10 bis 15 Knoten der Fall. Dann merkt man wie der Mast anfängt zu schwingen und manchmal setzen sich die Schwingungen bis in den Rumpf fort. Das haben wir auch schon auf anderen Schiffen bemerkt, wenn wir zu Besuch waren, allerdings gibt es auf unserer Piccolina einen sehr lästigen Unterschied: wir hören wie ein Fall oder Kabel im gleichen Rhythmus im Inneren des Masts gegen das Alu schlägt. Klong, klong, klong. Dann eine Pause und wieder: klong, klong, klong. Mal etwas länger, mal etwas kürzer, mal leiser oder lauter, die Pausen größer oder kleiner, aber immer wieder das nervtötende klong, klong, klong. – Bis gestern.  Nach eingehender Recherche im Internet hängt nun ein Fender knapp über der zwiten Saling und siehe da: es ist weg. Wir haben plötzlich Ruhe im Schiff. Manchmal sind es die kleinen Dinge die das Leben einfach machen! In diesem Sinn wünschen wir eine gute Nacht😌

Oben hängt der Fender mit der beruhigenden Wirkung

Ein Jahr auf Piccolina

Zeit für ein kleines Resumé.

Der Umzug aufs Boot gestaltete sich aufwändiger als gedacht. Dass wir nicht unseren ganzen Hausstand mitnehmen können war von vornherein klar, aber sich bei jedem Topf oder Kleidungsstück, Buch oder Hifizubehör, Werkzeug oder Materialien entscheiden zu müssen was mitkommt, eingelagert wird oder in die Tonne gehört, strengte wirklich an. Das war nicht einfach ein Umzug, es war die Vorbereitung auf ein anders gestaltetes Leben. Doch zuerst waren wir ja noch ein paar Monate in Lübeck, hatten ein Auto, kannten uns aus. Die Umbauten am Boot zogen sich in die Länge und wir kamen später im Jahr los als geplant.

unser Heim seit einem Jahr

Schon bei der Abfahrt saß uns die Zeit im Nacken. „Spätestens im September sollte die Überfahrt über die Biskaya erfolgen“, so die allgemeinen Segelanweisungen. Dieser Satz bohrte sich in unsere Köpfe, ob wirklich zurecht? Da wir seglerisch keine alte Hasen sind, wollten wir uns daran halten. Auf der Fahrt durch den Ärmelkanal meinte es das Wetter nicht wirklich gut mit uns. Entweder zuviel Wind oder zu wenig, und meist auf die Nase. Die wenigen schönen Segeltage im englischen Kanal können wir leicht an einer Hand abzählen. Wir waren froh,  das anspruchsvolle Tidenrevier, mit den stark frequentierten Häfen und Fährrouten, den vielen Fischerbooten und der teilweisen heftigen Strömung hinter uns gebracht zu haben, als wir Nahe Brest auf ein Wetterfenster für die Biskayaüberquerung warteten. Fast zwei Wochen beobachteten wir Wind-und Wettervorhersagen um den richtigen Zeitpunkt für unseren bislang größte Schlag abzupassen. Nach einer zwar etwas ruppigen, dafür sehr schnellen Überfahrt merkten wir, wie in A Coruña die Anspannung, die uns bis dahin begleitete, abfiel. Galizien war und ist für uns ein unerwartet reizvolles Segelrevier. Geschützte Rias mit vielen tollen Ankerplätzen, freundliche, unkomplizierte Menschen, sagenhaftes Essen. Wäre es nicht irgenwann kalt geworden, wir wären vielleicht immer noch dort😉.

so kommen wir am Ankerplatz von Bord

Hier irgendwo zwischen Navajas (Schwertmuscheln) und Albariño entdeckten wir das Fahrtensegeln, so wie wir es uns – wenn auch nicht in allen Details – vorgestellt haben. Es ist das erste Mal, dass wir Zeit im Überfluss haben und genießen diesen Zustand. Keinen Wecker morgens – außer vor langen Tagestörns – keine Termine – außer wenn man sich mit anderen Crews verabredet – keiner, der einem sagt was man zu tun hat. Wir können bleiben wo es uns gefällt, bis wir das Gefühl haben weitersegeln zu müssen, oder uns das Wetter weiter treibt.

bleiben und genießen…

Letzteres drängte uns immer weiter die Küste entlang nach Süden, wo wir schließlich von Cascais aus den Absprung zu der Madeira vorgelagerten Insel Porto Santo schafften. Auch dies wieder eine etwas anstrengende Überfahrt mit ordentlichen Wellen von hinten, dafür hatten wir keine Sorge dass uns der Wind ausgehen könnte…

Delphine – immer schön wenn sie ums Boot schwimmen

Auf Porto Santo scheinen die Uhren etwas langsamer zu ticken. Sowohl die Größe der Insel als auch die Einwohnerzahl ist übersichtlich und im Hafen waren ab Dezember nur noch eine Handvoll ausländische Yachten. Wir verbrachten dort den Jahreswechsel und das mit einem Feuerwerkspektakel das wir nicht so schnell vergessen werden, wurde es doch direkt vom Aussichtspunkt oberhalb des Hafen gezündet – also quasi nur für uns 😀😀

Start ins neue Jahr

Nun sind wir schon seit ein paar Monaten in Las Palmas auf Gran Canaria. Auch wenn wir uns das Wetter etwas besser erwartet hatten (alle sagen dass es dieses Jahr viel kälter ist), gefällt es uns sehr gut hier. Auf den ersten Blick eine graue Stadt mit zu vielen Hochhäusern, sehen wir nun ihren spröden Charme, nette Plätze versteckt um die Ecke, herzliche Menschen, ungeschönte Fasasden aber ehrliches Leben.

Auch auf dem Boot ist nicht alles nur wunderbar. Wir leben auf vielleicht 25qm zu zweit. Bei all dem Werkzeug, Ersatzteile, Segelliteratur und Karten, Küchenutensilien und Vorräte, den vielen anderen Dingen die notwendig sind, bleibt nicht viel Platz für persönliche Gadgets. Das war auch von vornherein klar und ist kein Problem – auf unseren Motorradreisen hatten wir wesentlich weniger Spielraum.

Für alltäglichen Dinge müssen wir viel mehr Zeit aufbringen alsfrüher zuhause. Wäsche waschen ist so ein Beispiel. Nicht immer haben wir das Glück, dass wir in der Marina kostenlos waschen können (wie in Porto Santo). Meist nehmen wir unseren Wäscheberg mit zum Waschsalon, auch gern mal mit Fahrrad oder Bus und freuen uns wenn dort professionelle Maschinen zur Verfügung stehen. Dabei muss pro Maschine schon zwischen 5 und 8 Euro gerechnet werden, der Trockner schluckt auch nochmal um die 4 Euro. Dafür braucht die Wäsche meist nur eine gute Stunde. So sind wir hin und zurück oft über zwei Stunden unterwegs. Einkaufen ist meist auch zeitaufwändiger, da alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Boot geschleppt werden muss. Bisher hatten wir nur hier die Möglichkeit, die Einkäufe geliefert zu bekommen. Dann gibt es die tägliches Arbeiten auf dem Boot: Geschirr spülen, putzen und polieren….

Bei größeren Projekten – im Augenblick sind wir gerade dabei eine zusätzliche Batterie vorne zu unserem Bugstrahlruder einzubauen – ist es oft schwierig erst mal herauszubekommen, wo man Material bekommt. Die Bootchandler hier vor dem Hafen sind ganz ordentlich bestückt, teilweise aber recht teuer. Doch auf der Suche nach passendem Sperrholz(-zuschnitt) waren wir locker einen halben Tag unterwegs. Nicht selten sind wir tagelang in der Stadt unterwegs, wenn wir spezielle Teile suchen…

Ferreteria

Dennoch bereuen wir unseren Entschluß aufs Boot zu ziehen keinen Augenblick. Wir fühlen uns uns wohl in unserem schwimmenden Heim. Wir genießen es „Zeitmillionäre“ zu sein, verschieben lästige Arbeiten auch gerne mal auf morgen. Dabei haben wir erst kürzlich gelernt dass „mañana“ – nicht „morgen“ – bedeutet, „nicht heute“ wäre vielleicht die bessere Übersetzung 😆. Mit genügend Zeit kann man vieles gelassener angehen. Und wir freuen uns bald wieder neue Ziele anzusteuern zu können.

Von unbekannten Plätzen und ominösen Schuhdiebstählen…

Wir sind ja nun eine ganze Weile in Las Palmas und haben auch das Gefühl uns schon ganz gut auszukennen. Doch dann, beim schlendern durch die Straßen, sind wir immer wieder erstaunt welche Plätze und Ecken wir noch nicht entdeckt haben. Oft nur einen Steinwurf von bekanntem Terrain entfernt. So begeben wir immer wieder gern auf „Entdeckungsreise“. Dazu sind auch die Stadtbusse – hier liebevoll Guagua genannt – ein geeignetes Fortbewegungsmittel, denn es ist erstaunlich welche abgelegenen Viertel angebunden sind. Hinauf ins Unigelände ist z. B. solch ein schöner Abstecher. Mit schönem Blick ins Tal und auf die nördlichen Stadtteile von Las Palmas. Und während in Deutschland die Kirschbäume blühen, weht hier in Form von zartvioletten Jacarandablüten ein Hauch von Exotic durch die Straßen.

Bei uns am Steg haben derweil mehrere Boote mit Kinder angelegt. Mit Keschern oder Eimern bewaffnet rennen sie nun den ganzen Tag auf dem Schwimmsteg auf und ab. Sprachbarrieren gibt es nicht, die Verständigung scheint irgenwie immer zu klappen. Ganz schön viel Trubel im Vergleich zu den vorigen Wochen. Auch wir haben mittlerweile Anschluss gefunden und treffen uns gern mit anderen Seglern auf ein Glas Wein. In Las Palmas trifft sich alles. Von den nur kurz Durchreisenden, über Weltumsegler, die hier Station machen oder hier ihren Lebensabend verbringen möchten bis zu Seglern die einfach hier aufs Boot gezogen sind, aber trotzdem über Internet noch weiterarbeiten. Eine bunte Mischung aus Lebenseinstellungen und Nationen.

Echt ärgerlich ist das Verschwinden diverser Flipflop von unserem Steg. Da auf den Kanaren auch Kakerlaken (meist sieht man nur tote auf der Straße) mit zum Stadtbild gehören und wir einen Horror haben uns diese Viecher aufs Boot zu holen, gewöhnten wir uns an, unsere Schuhe auf dem Steg zu lassen und barfuß an Bord zu gehen. Schuhe dürfen nur in geschrubbtem Zustand mit aufs Boot genommen werden. Das ging – auch bei unseren Gästen – wochenlang gut. Bis vorletzte Woche, als plötzlich ein Flipflop verschwunden war. Im ersten Moment dachten wir, dass er vielleicht durch den Wind ins Wasser gefallen war und suchten mit dem Dinghy den halben Hafen ab. Doch keine zehn Tage später fehlte wieder einer und der zweite Schuh stand nicht mehr an dem  Platz wo er zuvor abgestellt worden war. Auch ein Blick zum Nachbarboot ergibt, dass auch dort ein einzelner Flipflop auf dem Steg steht. Wir sind uns sicher, dass die Schuhe Hundeopfer geworden sind. Allerdings lässt sich das natürlich nicht beweisen und da mehrere Boote Köter an Bord haben werden wir den Schuldigen wahrscheinlich nie  ausfindig machen können (außer wir würden ihn auf frischer Tat ertappen). Jedenfalls werden wir ab jetzt abends immer unsere Schuhe in Sicherheit bringen, denn jede Woche neue Flipflops zu kaufen ist uns dann doch zu teuer!

 

Der Alltag

ist wieder eingekehrt auf der Piccolina – wenn man es denn Alltag nennen möchte. Nachdem sich der Besuch wieder halbwegs auskuriert hatte und wir zusammen wenigstens noch einen Abstecher in den Jardin Botanico unternahmen, der mit hübschen frischen Blüten aufwartete, war die Woche auch schon wieder vorbei. Schade. Die Gäste waren weg, nur die lieben Tierchen hatten wir noch ein paar Tage länger auf dem Schiff bevor wir sie mit Ibu entgültig losbekamen. Das muss beim nächsten Mal aber anders laufen !

Der Zylinderputzer in neuem frischen Rot

Nun können wir unsere Bastelarbeiten am Schiff weiterverfolgen. Die neue Bilgenpumpe muss noch fertig installiert werden, einige Näharbeiten habe ich auch auf dem Program, dazu müssen wir allerdings erst etwas Material besorgen. Mal sehen wo wir das herbekommen.

Derweil gibt sich das Wetter immernoch sehr durchwachsen. Der Besuch hatte sich einfach tagsüber in den Süden geflüchtet, doch auch dort wehte ein kalter Wind und hier im Norden ist es oft Wolkenverhangen. Seit Tagen bläst eine kräftige kalte Brise aus Nord und Strand ist nur drin bei wolkenlosem Himmel, sonst ist es zu kalt. Das hatten wir uns anders erhofft und es bestätigen uns viele, dass dies ein besonders kaltes Frühjahr sei. Laut Wetterbericht soll es ab diesem Wochende nun merklich besser werden, toi toi toi.