On the hard

Nachdem unsere Piccolina schon über ein Jahr permanent im Wasser ist, ist es an der Zeit, sie mal wieder an Land zu stellen und nach dem Unterwasserschiff zu schauen. Außerdem haben wir dann auch die Möglichkeit herauszufinden, warum sie unter Motor etwas lauter geworden ist. Der Verdacht liegt  beim Wellenlager oder dass unser Faltpropeller zu viel Spiel hat.

Am Mittwochmorgen ist es soweit. Der große Travellift wird zum Kranplatz gefahren, wir bugsieren unsere Kleine rückwärts in die  Box, sind sehr froh über den wenigen Wind und dann wird sie langsam an den mächtigen Gurten aus dem Wasser gehoben. Das Team arbeitet sehr professionell, und eine knappe Stunde später steht Piccolina sicher aufgepallt „on the hard“, wie die Briten zu sagen pflegen. Das Unterwasserschiff sieht soweit ganz gut aus und bis auf die Reste der vielen Seepocken, die wir uns schon in den ersten zwei Monaten in Deutschland eingefangen haben, ist es nur mit etwas Schleim bewachsen, der problemlos mit dem Dampfstrahler abzuwaschen ist. Da sind wir ja schon mal ziemlich beruhigt.

Piccolina hängt in den Gurten
und wird erst mal untenrum saubergemacht

Was nicht so toll aussieht ist unser Faltpropeller. Der hat schon etliche Jahre auf dem Buckel und die sind nicht spurlos an ihm vorüber gegangen, so dass er mittlerweile ziemlich viel Spiel hat. Zuviel, wie wir meinen. Keine Frage, der Propeller muss runter. Das geht dann auch erstaunlich gut, erst wird er auseinander gebaut und dann wird die Nabe mit dem Abzieher von der Welle gezogen. Ist die Frage ob, wann und welchen Propeller wir uns hier her schicken lassen können. Der örtliche Shipchandler startet eine Anfrage bei seinen Händlern auf dem Festland, wir bemühen das Internet. Nach zwei Tagen kristallisiert sich langsam eine Lösung heraus. Wir verbauen den Festpropeller, der schon seit wir das Boot gekauft haben im Maschinenraum hängt. Der ist zwar etwas kleiner, sollte aber der Originalpropeller sein, derweil schicken wir unseren Faltpropeller zu einer Firma in UK, die uns diesen hoffentlich zu einem günstigen Preis aufarbeiten kann. Bis dahin muss der alte Propeller seinen Dienst verrichten….

der alte Festpropeller wird montiert

Nachdem das Unterwasserschiff von den noch anhaftenden Pockenresten befreit ist, der Propeller mit Antifouling bestrichen und noch ein paar kleinere Arbeiten erledigt sind, hoffen wir, Ende der Woche wieder zu schwimmen, damit die elendige  Leiter rauf und runter Krabbselei endlich ein Ende hat. Zur Zeit ist das Leben so ähnlich wie auf einem Baumhaus…immerhin haben wir eine schöne Aussicht.

Jeden Tag unzählige Male die Leiter rauf und runter
Dafür eine tolle Aussicht auf die Bucht

Während es in unserer ersten Woche auf Santa Maria durchaus mal genieselt hat und sich die Sonne hinter dicken grauen Wolken versteckte, ist nun der Sommer eingekehrt auf der Insel. Fast immer herrscht strahlender Sonnenschein, da sind wir ganz froh, wenn eine leichte Brise kühlt, was nicht immer der Fall ist. Immerhin sind wir nun auf den Azoren und das Azorenhoch ist ja eigentlich jedem ein Begriff, denn es ist oft die Triebfeder für hochsommerliches Wetter in Deutschland. So sitzen wir gern in den lauen Abenden in der Marinabar auf ein Glas Bier, schnacken mit Barbara und Jochen die mit ihrer TinLizzy auch hier gelandet sind und verbessern die Welt.

Und wenn wir Samstags zum Markt gehen, gibt es „gezogene Küchle“, für uns immer mit Zucker und Zimt, und sie schmecken genauso wie wir sie von Zuhause kennen!

„zogene Kiachla“, schmegget wia dohoim!

Gemütlich…

… ist es wieder im Hafen von Santa Maria. Die ARC ist weiter Richtung Lagos gesegelt. Plötzlich kann man nun mit WiFi ausreichend schnell surfen und auch die Stromversorgung der Stege hatte seither keinen Ausfall mehr :-).

die ARC-Boote setzen Segel…

Letzte Woche nutzten wir den Schulbus, um die Insel etwas zu erkunden. Leider war der Tag nicht ganz so gut gewählt. Obwohl in Vila do Porto im Südwesten der Insel, die ganze Zeit strahlend blauer Himmel zu sehen war, fuhren wir im Nord- und Südosten der Insel in tiefhängenden Wolken hinein. Das Inselinnere ist unglaublich grün, blau blühende Schmucklilien, Farne und Hecken wachsen entlang der Straße. Die Ausblicke an der Nordküste liessen uns fast den Atem stocken. Grüne Wiesen, Wälder und Steilhänge die schroff ins tiefblaue Meer abfallen. Dann kamen wir in dichte Wolken, sahen nur noch die üppige Vegetation neben dem Straßenrand. Immer wieder passierten wir kleine Dörfer, manchmal auch einzelne Häuser die weiß in die Landschaft gesprenkelt sind. Kurz vor der Endhaltestelle stiegen wir aus, um zur Rebeira do Maloas zu gelangen. An Kuhweiden entlang ging es bis zur Küste.

Küste im Südosten

Hier im Südosten ist wie Vila do Porto auch, das Gras schon gelb und verdorrt. Es hat anscheinend nicht so viel geregnet diesen Winter. Einen kleinen Wanderweg, der Küste folgend beschert uns wunderbare Ausblicke. Die Hänge, mit riesigen Agaven bewachsen fallen schroff ins Meer ab. Unten rauscht die Brandung über den felsigen Grund, der durch das klare Wasser zu sehen ist.

schroffe Steilküste

Dann kommen wir zur Ribeira do Maloas. Eine sehr eindrucksvolle Felsformation. Die schwarzen Basaltsäulen ragen hoch hinauf. Unten im Bachlauf qauken die Frösche. Leider können wir uns nicht zu lange aufhalten, denn wir müssen ja wieder den Bus für die Rückfahrt erwischen.

Über die schmale Straße kehren wir nach Malbusca zurück. Ein paar Häuser am Hang, ohne erkennbaren Ortskern. Wir sind wieder in den Wolken. Das erinnert mich ein wenig an Novemberstimmung in Deutschland. Nur die Temperaturen sind mit fast 20 Grad Celsius viiieeel angenehmer.  Mit dem letzten Bus fahren wir nochmals die Insel ab, genießen wiederrum die traumhaften Ausblicke und die liebevoll angelegten Vorgärten. Am Ende des wunderbaren Tags, kehren wir auf ein Bier in die Marinabar ein und genießen noch einen lauen Abend bei wiederrum fast wolkenlosem Himmel.

ARC in Santa Maria

Schon als wir am Tag unserer Ankunft in der Marina einklarierten, erwähnte der Marinero, dass Schiffe der ARC kommen würden. ARC (Atlantic Rallye for Cruisers) wurde vor vielen Jahren von Jimmy Cornell ins Leben gerufen. Jeden Winter startet die ARC von Las Palmas aus über den Atlantic nach St. Lucia. Mittlerweile nehmen jährlich über 200 Boote daran teil und ab August/September herrscht in der Marina in Las Palmas der Ausnahmezustand. Liegeplätze von Yachten die nicht an der Regatta teilnehmen, werden dann nämlich nicht mehr verlängert und den Yachties bleibt nicht anders übrig als entweder in das Ankerfeld vor der Marina zu verholen oder zu einem anderen Hafen weiterzusegeln. Das sorgt natürlich immer für sehr viel Unmut und Aufregung. Erst nach dem Start der ARC, Ende November, werden wieder Liegeplätze an andere Yachten vergeben.

Nachdem die ARC Atlantic mittlerweile so erfolgreich ist, gibt es seit einigen Jahren die World ARC. Da kann man dann mit Gleichgesinnten innerhalb 15 Monate um die Welt segeln. Die Hafenplätze werden reserviert, man kann an vielen „social events“ teilnehmen und bekommt Sicherheitstrainings und Handbücher.

Wie ein Geschwür wächst und wächst auch die ARC, und wir haben gelernt, dass es mittlerweile ganz viele Rallies gibt: z. B. Caribbian 1500, Bahamas, Portugal, Baltic oder auch die Europe. Ein Zweig der Europe liegt seit gestern bei uns im Hafen. Innerhalb drei Stunden hat sich die Anzahl der Segelschiffe in etwa verdoppelt, die Zahl der Segler mindestens verdreifacht.

die ARC Flotte auf dem Weg nach Santa Maria
Ein Blick auf die Marina vor…

Die meisten Schiffe sind aus den USA und UK, es sind aber auch Finnen, Italiener und Australier dabei, die hier zu ihrer letzten Etappe nach Lagos an der Algarve starten. Hektische Betriebsamkeit macht sich im Hafen bemerkbar, überall werden an den Booten Kleinigkeiten repariert, denn morgen, am Samstag ist Start. Wir sind ehrlich gesagt nicht böse, wenn das Rudel bald wieder verschwindet und die gemächliche Ruhe einkehrt, die wir bis gestern hier genossen haben. Es ist ja nicht so, dass wir hier keine Gesellschaft hätten: mit an unserem Steg liegen noch ein deutsches und ein niederländisches Pärchen und der Nachbarsteg beherbergt einige britische, französische und österreichische Segler. Daneben liegen noch ein paar Boote, die auf ihre Eigner warten. Es wird also sicher nicht zu einsam werden.

und nach der Ankunft der ARC

Santa Maria

… ist eine kleine Insel, mit knapp 6000 Einwohnern, ca. 17 auf 8 km groß und es ist die südöstlichste des Azorenarchipels. Durch ihre Lage ist es die mildeste und regenärmste Insel der weit verstreuten Inselgruppe. Es fällt hier nur etwa die Hälfte des Niederschlags im Vergleich zu Flores, der westlichsten Azoreninsel.

Blick nach Süden

 

Die ersten zwei Tage erkundigen wir mal unsere nächste Umgebung, den Hafen, das kleine Städtchen den steilen Hügel hinauf und verschaffen uns einen groben Überblick von der Insel. Was uns als erstes auffällt ist der wunderbare Duft, den die vielen Blumen und Sträucher verströmen. Immer wieder ist man von Wolken wohlduftender Pflanzen umgeben, mal süß und blumig, mal kräftig würzig. Nach so langer Zeit in Las Palmas mit den großen Hafenanlagen und qualmenden Schleppern einfach herrlich.

überall blüht es und duftet herrlich

Vila do Porto, zehn, fünfzehn Minuten zu Fuß die steile Straße hinauf  ist ein nettes Städtchen. Weiß getünchte Häuschen, selten mehr als zwei Stockwerke hoch, stehen eng an der gepflasterten Haupstraße entlang. Es gibt etliche kleine Läden  und Supermärkte, und eine überraschend große Auswahl an Cafés, Bars und Restaurants. An der Parallelstraße ist eine neue Markthalle gebaut, die Metzger, Fisch-, Obst- und Gemüsehändler, aber auch andere Geschäfte wie Schreibwaren, Souvenir oder Friseure beherbergt. Am Metzger kommen wir nicht vorbei und erstehen eine Beinscheibe vom glücklichen Azorenrind. Mit etwas Gemüse wird daraus ein leckeres Gulasch. Aber nicht nur das Fleisch, auch der Fisch sieht frisch und sehr gut aus. Da freuen wir uns schon riesig auf kulinarische Genüsse in den nächsten Wochen.

Eine weitere Überraschung ist das teilweise verständlich ausgesprochene Portugiesisch. Nachdem wir auf dem Festland und in Porto Santo froh waren auch nur die allereinfachsten Floskeln verstanden zu haben, schnappen wir hier immer wieder im vorbeigehen Wörter auf, können uns mit dem alten Herrn der uns Gemüse verkauft grob verständigen. Es ist also noch nicht hoffnungslos, das mit der portugiesischen Sprache! Wie schon an anderer Stelle erwähnt schaffen es die Portugiesen, Wörter in einer Art und Weise auszusprechen, die für uns mit dem Geschriebenen nichts mehr gemein haben. Vokale werden anders ausgesprochen oder verschluckt, Konsonanten weggelassen, damit möglichst schnell gesprochen werden kann. Die Sprache bis jetzt für uns ein absolutes Rätsel, hoffen wir nun auf einen besseren Zugang. Mal sehen, welchen Dialekt die anderen Azoreninseln sprechen. Allerding können auch hier glücklicherweise die allermeisten Einheimischen, genauso wie im  restlichen Portugal englisch, so dass wir nicht auf das Portugisische angewiesen sind.

Bei der Fahrt zu den Azoren hatten wir gehofft, Anke und Uwe von der FreiKerl wieder zu sehen. Sie sind schon seit ein paar Wochen auf dem Archipel unterwegs. Da wir aber hier in Santa Maria kranen möchten und die FreiKerl-Crew auf der 180sm entfernten Insel Sao Jorge auf Wetter für ihren Schlag in die Bretagne wartet werden wir uns vermutlich nicht treffen.  So nah und doch so fern. Wir winken den beiden kräftig zu, wünschen ihnen eine gute Überfahrt nach Festlandeuropa und wir freuen uns sehr darauf sie irgendwann, irgendwo mal wieder zu sehen!

Angekommen in Vila do Porto / Santa Maria / Azoren

Wir sind da! Unser bisher längster Schlag. Über sechs Tage waren wir unterwegs: 730 Seemeilen, das sind 1300km. Jetzt liegen wir glücklich und sicher im kleinen Hafen von Vila do Porto auf der südwestlichsten Azoreninsel.

Wir hatten, verglichen mit unseren anderen Passagen, viel einfachere Wetterbedingungen. Der Preis den wir dafür zahlen mussten, waren viele Motorstunden. Fast ein Drittel musste das „eiserne Segel“ herhalten. Anfangs waren die Bedingungen nicht ganz so angenehm wie wir uns das vorgestellt hatten. Kabbelige Wellen, die unsere Piccolina immer wieder ausgebremst hatten und unsere Gleichgewichtsorgane nach so langer Zeit im Hafen auf eine harte Probe stellte. Dafür hatten wir ab dem dritten Tag, fast keine Welle mehr. Wäre nicht die lange Dünung gewesen, hätte man den Atlantik mit dem Bodensee im Hochsommer vergleichen können, als hätte jemand Öl aufs Wasser gegossen. Allerdings mit dem gravierenden Unterschied, dass wir tagelang bis zum Horizont außer ein paar Vögeln nichts und niemand sahen. Diese Stimmung erinnerte mich an eine Saharadurchquerung in Libyen, bei der sich das Motorrad auch langsam den Dünen folgend auf und abwärts bewegte und man fast das Gefühl von Raum und Zeit verlor.

öliges Wasser

Mit der Zeit stellte sich so etwas wie Bordroutine ein. Halbdurchwachte Nächte wechselten sich ab mit faulen Tagen, an denen der fehlende Schlaf nachgeholt wurde. Dazwischen immer wieder Zeit, gedankenverloren aufs Wasser zu starren, zu lesen, zu philosophieren.

Als das erste Frachtschiff seit vier Tagen am Horizont auftauchte, waren wir fast schon erschrocken. Nachdem Stunde um Stunde vergeht, in dem man auf die einsame See blickt und das AIS kein Anzeichen von anderen „Verkehrsteilnehmern“ zeigt, ist es richtig aufregend, das Signal eines Frachters in 25 Meilen zu bekommen, der dann in einer Meile Entfernung die eigene Kurslinie kreuzt. Und dann taucht nach sechs Tagen eine Insel aus dem Dunst auf. Man kommt immer näher, kann irgendwann Details wie Häuser und Leuchttürme ausmachen.

Santa Maria im Dunst

Es war wunderbar hier anzukommen. Nachdem wir im Hafen ganz langsam ein Runde gedreht hatten um nach freien Plätzen zu schauen, nahm der Uniformierte der Policia Maritima (!) unsere Leinen entgegen und half uns beim Anlegen. Wo wird man denn noch in der Welt bei der Ankunft von der Marinapolizei und dem Marinero mit Handschlag begrüßt? Wir fühlen uns hier sofort willkommen!