Von unsicheren Plänen und unmöglichen Päckchen

Von unseren Segelfreunden Julia und L.J. lernten wir ein Sprichwort über das Pläneschmieden beim Segeln: “ plans are written in the sand at low tide“ – zu deutsch: “ Pläne werden bei Niedrigwasser in den Sand geschrieben“. Es ist ganz normal für Segler sich nicht an ursprünglich erdachte Pläne zu halten, sondern diese an die jeweilige Situation anzupassen, oder zu ändern, aber zu Coronazeiten haben die Planänderungen eine ganz neue Dimension bekommen. Jetzt werden keine Pläne mehr geschmiedet, sondern Möglichkeiten erkundet. Welche Grenzen sind auf? Wie groß ist der Aufwand selbst bei „geöffneten“ Grenzen in ein Land einzureisen? Wie sehen gerade die COVID- Zahlen dort aus, welche Einschränkungen gibt es? Dank Internet kann man das alles (teilweise mit erheblichem Zeitaufwand) recherchieren, doch die Halbwertzeit der jeweiligen Bestimmungen ist genau proportional zur steigenden Anzahl an aktiven Fällen in den Ländern, somit ist auch hier vieles in den Sand geschrieben. Dennoch machen wir uns Gedanken, wo wir diese Wintersaison segeln können, aber auch, wo wir die nächste Hurrikansaison verbringen möchten. Das ist zwar noch lange hin, aber so ein paar grundsätzliche Gedankenspiele beschäftigen uns jetzt schon, da wir uns nicht sicher sind, ob wir nochmal einen Sommer in diesem Klima verbringen wollen. Die UV-Strahlung ist unglaublich Materialermüdend, durch die schweißtreibenden Temperaturen werden Wartungsarbeiten gerne mal verschoben, nachts kann es schon mal vorkommen, dass man wegen angehender Überhitzung eine Zeit lang raus ins Cockpit liegt und manche Schönheitsreperaturen wie Lackierarbeiten sind bei der Luftfeuchtigkeit kaum auszuführen. Aber wenn wir wirklich für den Sommer aus dieser Klimazone raus möchten, gibt es eigentlich nur zwei akzeptable Möglichkeiten: erstens die amerikanische Ostküste rauf mindestens bis zur Chesapeak Bay oder zweitens zurück ans europäische Festland, am besten über die Azoren. Die dritte Möglichkeit nach Südosten zu segeln um die östliche Ecke von Brasilien ist uns zu beschwerlich und Coronabedingt gerade keine Option. Wie gesagt sind es noch ein paar Monate bis wir uns entscheiden müssen, aber vielleicht ist es ganz gut sich mal mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

Nicht nur das Reisen an sich ist zu COVID-Zeiten mühsamer. Als wir noch im Frühjahr in Martinique im Lockdown gesteckt sind, hatten wir die Idee, uns die bestellten Teile die ursprünglich unser geplanter Besuch aus Deutschland mitbringen wollte einfach schicken zu lassen. Aber siehe da, DHL lieferte zu vielen Karibikstaaten keine Pakete mehr. Nun sollte man meinen: klar, so Kleinstinseln wie Monserrat oder St. Eustatius sind davon betroffen, aber Martinique oder Gouadeloupe gehören ja zu Frankreich, sollten also kein Problem sein…. Pustekuchen. Alles auf rot – nichts wird verschickt. Nun sind wir seit drei Monaten in Grenada, und auch wenn mittlerweile auf der DHL Liste ein paar Länder mehr den grünen Status bekommen, Grenada, Martinique und Guadeloupe bleiben beharlich auf rot. Wir könnten uns das Paket nach Trinidad und Tobago schicken lassen – unser ursprüngliches Ziel für die Hurrikansaison, aber diese Grenze ist seit Monaten dicht. In der Annahme, dass Geschäftskunden vielleicht anders gehandhabt werden, hatten wir in Deutschland Reißverschlüsse für unser Lazy Bag bestellt, die hier nicht bzw. nur sündhaft teuer zu finden waren. Wir hatten uns schon gefreut, als wir die Trackingnummer bekamen und das Päckchen im Sortierzentrum war. Doch das war zu früh gefreut, die Bestellung ging zurück zum Absender. Letztlich halfen uns amerikanische Freunde aus der Patsche. Nachdem wir die Reißverschlüsse in den USA bestellten, konnten wir sie in einem Sammeltransport von Miami mitschicken lassen. Etwas zeitaufwändig, dafür kostengünstig. Allerdings müssen wir demnächst auf jeden Fall in ein Land verholen, wo wir Post empfangen können, denn wir brauchen ein paar dringend benötigte Teile aus Deutschland ..
Während den letzten zwei, drei Wochen, wurden die Temperaturen in der Karibik wieder angenehmer, nachts kühlte es ein wenig ab und der Passatwind stellte sich wieder häufiger ein. Langsam erwachen die Lebensgeister. Der Motor von Piccolina wurde gewartet und hat nun frisches Öl, neue Filter und Impeller. Das Lazybag besitzt nun zwei neue Reißverschlüsse, 4,5m lang. Übrigens ein gutes Beispiel um aufzuzeigen wie aggressiv die Sonne hier ist. Um die Reißverschlüsse besser handhaben zu können, schauten die Enden derselben etwas aus der Segeltasche heraus. Leider haben wir erst in Suriname bemerkt, dass der Stoff der Reißverschlüsse nicht UV stabil ist. Obwohl wir diese Stellen mit UV Schutz beklebten, war es zu spät und der Reißverschluss riss ein paar Monate später trotz vorsichtigem Umgang ab. Nun ist alles sonnengeschützt eingenäht und wir hoffen, dass es jetzt länger hält.

Ein Teil fehlt – so viel UV ist ein Killer
Mühsam von Hand genäht – 6x 4,5 Meter
Jetzt ist’s wieder gut

Gonzalo

Wir haben unsere Quarantäne mitsammt dem COVID-19 Test und den Einklarierungsformalitäten hinter uns gebracht. Mit einem deutschen Seglerpaar stossen wir im Marinarestaurant auf unsere erfolgreiche Einreise an und genießen danach noch einen kurzen Stadtbummel durch St. George. So schön wieder an Land gehen zu können.
Doch so entspannt geht es leider die nächsten Tage nicht weiter. Auf dem Antlantik baut sich ein Sturm auf. Zuerst lag die Entstehungswahrscheinlichkeit laut NOAA bei unter 20%, doch schon eineinhalb Tage später entwickelt daraus eine tropische Depression und nun hat das zum tropischen Sturm hochgestufte System den Namen Gonzalo erhalten. Das Problem daran: Gonzalo ist zwar recht klein vom Ausmaß, aber schlecht berechenbar. Sowohl was die Zugbahn, als auch die Intensität betrifft. Die Vorhersagen sind sich einig, dass es ab morgen ein Hurricane wird, allerdings gehen die Meinungen weit auseinander, wie die weitere Entwicklung aussieht. Manche Modelle sagen voraus, dass sich der Cyclon am Freitag schon wieder langsam auflöst, andere gehen davon aus, dass er in Sturmstärke über die Windward Islands ziehen wird. Doch wo genau, weiß auch wiederrum keiner,. Der Wahrscheinlichkeitskegel reicht von Trinidad bis  hinauf nach Guadeloupe – und Grenada ist quasi mittendrin. Da sitzen wir nun vor dem Tablet, schauen stundenlang Vorhersagemodelle an und sind gespannt wie sich die Situation weiter entwickelt. Noch ist es etwas zu früh, aber wenn sich Gonzalo verstärkt und wirklich Richtung Grenada ziehen sollte, bereiten wir uns vor nach Süden abzulaufen, raus aus der kritischen Zone. Vielleicht haben wir aber auch Glück und er zieht weiter nördlich vorbei und wir merken kaum etwas – es ist alles noch offen!
Von Samsung-Tablet gesendet

Union Island

Zur nächsten Insel ist es ein Katzensprung. Sieben Meilen. Wir segeln und da wir einen Holeschlag brauchen, weil wir nicht direkt anlegen können, stehen später knapp zehn Meilen auf der Logge. Aber es ist ein herrlicher Tag und so schönes Segeln hatten wir schon lange nicht mehr. Kaum Welle, angenehmer Wind, die Sonne scheint – es ist ein Traum. Clifton ist schon von weitem zu sehen, am Mastenwald vor der Stadt. Die Bucht ist ziemlich speziell. Zur Ostseite, also der vorherrschenden Windrichtung wird sie von einem Riff geschützt. Allerdings gibt es mitten in der Ankerbucht noch ein Riff, das den zur Verfügung stehenden Platz sehr einschränkt. Dazu ist richtig viel los vor Clifton. Vielleicht auch deshalb, weil Union Island die südlichste Insel des Staates St. Vincent & Grenadinen ist auf der man ein- und ausklarieren kann. Es gibt einige Muringbojen, zu erheblichen Preisen, aber man kann auch ankern – sofern man Platz findet. Gar nicht so einfach. Wir suchen uns eine Stelle hinter dem Außenriff, aber der Anker hält nicht gut als wir in einfahren. Also Anker nochmals hoch. Beim nächsten Versuch klappt es besser, der Anker hält und so liegen wir direkt am inneren Riff. Zum Einklarieren gehen wir an Land. Schnell wird klar das Clifton vom Tourismus lebt. Es gibt Hotels, viele Bars und Restaurants, die nett gemacht sind, beim Bäcker kann man frisches Baguett kaufen. Die Obststände präsentieren ihre Waren hübsch und wenn man möchte bekommt man einen Smoothie. Uns hat Hillsborough besser gefallen… war einfach ungeschminkt.
In der Ankerbucht geht es zu wie im Taubenschlag. Es ist ein Kommen und Gehen. Locals mit kleinen schnellen Booten, die alles mögliche verkaufen und raus zu den Tobago Cays fahren und viele Yachten, mindestens die Hälfte davon Charterboote die  mit Vorliebe mit Vollgas durchs Ankerfeld motoren. Da bekommt man Gänsehaut, wenn man sieht wie ein paar Yachties oder Chartergäste in der Bucht schwimmen gehen… Tja, das Wasser lädt dazu ein, türkisblau und klar, aber weiter als 4 Meter würde ich mich nicht vom Boot wegtrauen.
Eine Yacht geht vor uns vor Anker – das wäre für unseren Geschmack viel zu nah am Riff. Selbst bei vorherrschender Windrichtung sollte man doch trotzdem Platz zum Schwojen haben. Eine halbe Stunde später schnellt unser Adrenalinspiegel in die Höhe, als ein Katamaran – zunächst von uns unbemerkt zwischen uns und der vor uns liegenden Yacht durchfahren will und im letzten Augenblick feststellt, dass das Riff vor ihm, selbst für einen Cat doch etwas zu flach ist. Er möchte zwischen den Booten wenden, schaut aber nur nach vorne, der Seitenwind vertreibt ihn, seine Gäste gucken wie paralisierte Kaninchen auf unsere Piccolina , der er mit dem Heck immer näher kommt. In diesem Moment schauen wir, vom Schraubengeräusch aufgeschreckt, nach drausen und sehen den Cat auf uns zukommen. Der Skipper oben auf der Flybridge realisiert gar nicht, dass er nur noch wenige Meter von uns entfernt ist und immer näher kommt. Wir drücken sofort mehrfach unsere Hupe und rufen zum Captain ob er verückt ist. Endlich kappierts der Skipper, schaut nach hinten und stoppt auf – der Cat ist keine zwei Meter mehr entfernt. Auf eine Entschuldigung, sei es auch nur eine Geste, warten wir vergebens, er fährt mit hoch erhobenen Kopf weiter. Vielleicht wäre es ja gut gewesen, vorher die Seekarte anzuschauen.
Während wir an Land sind, kommen Schlechtwetterwolken, die den Wind auf südlichere Richtung drehen lassen. Die Yacht vor uns, schwojt nun doch etwas nah ans Riff und geht Anker auf, wir haben wieder Platz. Aber das währt nicht lange: In der Dämmerung sehen wir, wie sich ein Segelboot der Bucht nähert. Es ist schon dunkel, als es einläuft. Die dänische Yacht lag mit uns in Hillsborough, als wir hierher sind, kommt also nicht von weit her. Da fragen wir uns schon, wie es denn sein kann, dass man es auf so kurzer Distanz nicht schafft bei Tageslicht in eine Bucht einzulaufen, die erstens viele Untiefen hat (OK, die elektronischen Karten passen hier sehr genau) und zweitens so voll ist, dass man schon im Hellen seine Mühe einen ordentlichen Platz zu finden. Es ist ganz klar wie es kommt. Das Boot läßt keine fünf Meter neben uns den Anker fallen. Dort sind es schon mind. zehn Meter Wassertiefe, man sollte also ordentlich Kette stecken. Allerdings ist hinter uns auch die Einfahrt der Fähren…. Und so bricht am nächsten Morgen plötzlich große Hektik aus, als das Horn der Fähre das Signal zum Auslaufen gibt. Schnell wird der Motor der Dänenyacht gestartet und die Ankerkette eingeholt. Nur blöd, das der Anker jetzt fast genau unter unserem Boot liegt. Dem Skipper macht das anscheinend gar nichts aus, wir klappen schon mal unser Solarpanel weg und bringen einen Fender aus. Immerhin entschuldigt sich seine Frau, die vorne am Bugkorb die Ankerkette einholt. Er macht keinen Mucks, kein Hallo, gar nichts. Als ob alles in bester Ordnung wäre.  Am nächsten Tag gibt es zwar keine ausergewöhnliche Vorkommen, dennoch ist es uns auf die Dauer hier zu eng, Clifton ist zwar nett, aber kein wirklicher Grund länger zu bleiben. Also Anker auf und weiter zu den Tobago Cays!

Direkt vor uns das innere Riff…
Blick auf Clifton
schönes, geschütztes Dinghydock
Mäuerchen aus Conchmuscheln….

Tschüss Surinam – Karibik wir kommen!

Wir möchten nicht mehr warten. Das Wetter und die Hurrikanvorhersagen sehen gut aus – uns hält nicht mehr viel in Surinam. Es hat uns gut gefallen hier, wir haben viele nette Leute kennen gelernt, die Mischung aus Kulturen, Religionen und Hautfarben hat was besonderes. Dennoch – wir möchten endlich wieder blaues Wasser in das wir einfach mal reinhüpfen können wenn es uns zu heiß wird. Und das ist es uns hier oft und oft. Ohne unseren 12 Volt Ventilator wäre es im Boot nicht mehr auszuhalten. Also haben wir nochmal Vorräte gekauft – in der Karibik ist fast alles viel teurer – wir verabschieden uns von ein paar Locals die oft in der Marinabar sitzen und den wenigen Seglern die noch da sind. Mittlerweile sind fast alle vor uns losgezogen in den Norden. Und dann heißt es auch für uns: Leinen los, Karibik wir kommen!
Streng genommen segeln wir noch nicht in die Karibik, denn Trinidad und Tobago sind zwar auch Inseln vor der südamerikanischen Küste gehören aber (warum auch immer) nicht zu den Windward Islands – wie die südlichen kleinen Antillen im englischen Sprachgebrauch genannt werden. Tobago ist eher die Ferieninsel, Trinidad kann dafür mit vielen Werften punkten. Es gibt hier alles für Yachten.
Rund 500 Seemeilen wird der Schag. Da uns der Strom schiebt sollten es nicht mehr als 4 Tage werden die wir unterwegs sind. Leider sind immer wieder Felder mit wenig Wind voraus gesagt. Nach so langer Zeit vor Anker im ruhigen Fluß gelegen, sind wir gespannt wie lange wir brauchen bis uns wieder Seebeine wachsen.

//WL2K Atlantiküberquerung – 15. Tag

Nach dem am frühen Morgen der Wind eingeschlafen ist und wir zu allem Überflluß auch noch 2 Knoten Strömung gegen uns haben, beschließen wir den Motor zu starten. Schade so kurz vor dem Ziel, aber langsam sind wir so weit südlich, dass die Winde unbeständiger werden. Der Himmerl ist fast wolkenlos, am Horizont sind Cumulus zu sehen. Den ganzen Tag ziehen große Algenteppiche an uns vorüber. Schon vor Tagen sahen wir die ersten Pflanzen auf dem Wasser und teilweise brachten wir deshalb die Schleppangel schon gar nicht mehr aus, da sich ständig Grünzeug im Haken verfing. Heute ist an Angeln gar nicht zu denken und wir hoffen dass unser Kühlwasserfilter des Motors nicht viel von dem Zeug einfängt. Solange der Motor läuft nutzen wir die Energie um reichlich Süßwasser herzustellen und füllen unseren Wassertank wieder auf. Am späten Nachmittag kommt endlich wieder etwas Wind, so dass wir die Genua wieder ausbaumen können. Allerdings steht immer noch Strom gegen uns, so dass wir Kourou effektiv nur langsam näher kommen. Die Nacht wird trotz nahezu vollem Mond gespenstisch dunkel, da um uns herum immer wieder Squalls auftauchen. Das sind Regenschauer, manchmal mit Wind und/oder Gewitter im Gepäck. Durch die dicken Regenwolken kommt kein Mondlicht durch, dafür blitzt es in manchen Squalls, was die Szenerie gleich etwas bedrohlicher macht. Dafür haben wir ordentllich Wind und der Gegenstrom ist nicht mehr so groß, somit kommen gut voran.
Noch ca. 170 NM bis Kourou