Ein Streifzug durch Sao Jorge

Da es nicht wirklich funktioniert mit dem Bus die Insel anzuschauen, mieten wir uns zusammen mit Carolyn und Marc ein Auto, um Sao Jorge besser kennenzulernen. Die Insel ist lang und schmal, somit ist auch das Straßennetz übersichtlich. Wir fahren über die südliche Küstenstraße bis nach Topo, am östlichen Ende, bis die Straße an einem kleinen Fischerkai endet. Die Straße schlängelt sich auf ca. halber Höhe entlang. Teilweise durch Wald, im Osten an vielen Weiden vorbei, die meist durch eindrucksvolle, blaublühende Hortensienhecken abgegrenzt sind. Im Parque Florestal von Silveira legen wir einen Zwischenstopp ein. Viele Baumfarne sind zu bewundern, Spazierwege führen durch den kleinen Park, der in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist, es gibt einige wunderschön angelegte Grillplätze, alle sauber und mit Feuerholz versehen. Danach führte uns eine enge, steile Straße zur Faja dos Cubres. Die Fajas sind eine Besonderheit von Sao Jorge. Es sind flache, kleine Ebenen direkt an der Küste, die durch Erdrutsche von den umliegenden Steilhängen oder durch Lavaströme entstanden sind. Rund 40 diese Fajas gibt es auf Sao Jorge. Seit einem Erdbeben 1980 sind einige Fajas nicht mehr bewohnt. Der Boden ist zwar sehr fruchtbar, aber manche Fajas sind nur zu Fuß erreichbar.

Am östlichen Ende der Insel
Ausblick vom Südosten auf Pico

Von der Faja dos Cubres wandern wir an der Küste entlang zur Faja da Caldeira se Santo Christo. Letztere ist sehr schön gelegen, besitzt eine geschützte Lagune und ist bei Wellenreiter bekannt als guter Surfspot. Dementsprechend gibt es einige Zimmer und Ferienhäuser zu vermieten. Die Ausrüstung und Verpflegung wird mit ATVs zur Faja transportiert. Wir machen einen Einkehrschwung über das Restaurant und geniesen die Aussicht bevor wir auf gleichem Weg durch Lorbeerwald wieder zurück zum Auto gehen. Die weitere Strecke an der Nordküste entlang sind wir fasziniert von den üppigen Hortensien, die die Insel wie ein riesiges Spinnennetz überziehen. Was anderen Orts geschichtete Steinmauern sind, sind hier blaue, über mannshohe Bänder die sich über die grünen Hügel ziehen.

Blick auf die Lagune und Faja de Santo Christo
Gleich sind wir da…

Zum Abschluss trinken wir unseren Sundowner in einer Bar oberhalb von Velas, mit traumhaften Blick über die Stadt und auf Pico. Ein angenehmer Ausklang eines wunderbaren Tages. Wir hatten wie immer sehr viel Spaß mit Carolyn and Marc.

Sundowner mit Aussicht auf Velas und Pico

Am Wochenende, Barbara und Jochen sind mit ihrer Tinlizzy wahrscheinlich schon in oder kurz vor Lagos, besuchen wir mit Heike und Bernhard, die nun auch seit einigen Tagen in diesem tollen Hafen sind, einen Stierkampf, oben in der kleinen Arena. Sechs Stiere von drei verschiedenen Bauern werden für jeweils 15 Minuten in den Ring gelassen. Zwei „Mannschaften“ aus Sao Jorge die einen, von Terceira die anderen können ihren Mut beweisen. Sie versuchen den Stier zu trietzen, stacheln ihn mit Decken oder Schirmen an, um, wenn es doch zu gefährlich wird, rechtzeitig hinter die Bande zu springen. Die Stiere tragen Lederschutz über den Hörnern, wohl um die schlimmsten Verletzungen fur die Torreros zu vermeiden, aber man mag sich nicht ausmalen, was passiert, wenn jemand stolpert oder sich nicht schnell in Sicherheit bringen kann. Für Verpflegung ist natürlich auch gesorgt, in den Pausen gibt es Getränke, Sao Jorge Käse oder Popcorn zu kaufen, auf dem Grill liegt super leckeres Rind, von dem wir „Versucherle“ bekommen und im Stadion bieten Frauen selbstgemachte Doughnats an. Einziger Wehrmutstropfen: kurz bevor die Veranstaltung zu Ende ist, zieht der erste Regen seit einigen Tagen auf und so zieht es die Meisten und auch uns gleich nach Hause. Dennoch war es ein sehr interessanter und spannender Nachmittag.

Velas – Sao Jorge

Seit einer Woche sind wir nun im kleinen Hafen von Velas. Wir liegen hier ausgesprochen ruhig – was den Schwell angeht. Hier treffen wir wieder alte Bekannte. Die TinLizzy-Crew liegt – mit kurzer Unterbrechung – schon einige Tage hier und auch Carolyn und Marc kommen von ihrem Zwischenstopp auf Pico herüber gesegelt. Apropos Pico: die Insel mit gleichnamigem Vulkan (übrigens der höchste Berg von Portugal mit um die 2350m) liegt nur ca. 10 Meilen entfernt und beschert uns immer wieder wunderbare Ausblicke. Nur der Berg Pico hüllt sich oft in Wolken und geizt gern mit seinen „Reizen“.

Pico mit Pico
Das Felsmännchen begrüßt uns am Steg

So ruhig am Tag, aber wenn die Sonne untergegangen und die Nacht hereingebrochen ist geht hier für zwei, drei Stunden die Post ab. In der Steilwand, die den Hafen so schützend umgibt sind nämlich tausende von Nester des Gelbschnabelsturmtaucher. Diese Vögel – entfernt mit dem Albatros verwandt – sind daran zu erkennen, dass sie sehr dicht über der Wasseroberfläche dahingleiten. Manchmal verschwinden sie aus dem Blickfeld wenn sie zwischen zwei Wellen entlang fliegen. Abends und morgens sieht man oft große Gruppen nahe der Küste auf dem Wasser schwimmen. Das markanteste Merkmal sind jedoch ihre Rufe und die hört man nur Nachts. Erst dann fliegen sie zu ihren Nestern, irgendwo im Steilhang um ihr Junges zu füttern und verständigen sich dabei akustisch. So sind wir nachts ständig von ihren Rufen umgeben und die sind wirklich sehr speziell! Es ist schwierig Vogelschreie zu beschreiben, die Gelbschnabelsturmtaucher rufen in etwa ein Aua-aua-eeeeh. Aber das witzige daran ist, dass es sich anhört als wären sie kurz zuvor durch eine Heliumwolke geflogen. Die Stimmen sind quitschig verzerrt und wir lachen uns jeden Abend schlapp, wenn wir versuchen die Rufe nachzuahmen. Nach zwei, drei Stunden ist das größte Spektakel vorbei und es fliegen nur noch einzelne Tiere zu den Nestern. Kurz vor der Morgendämmerung nimmt die Frequenz dann nochmals zu, aber sobald das erste Sonnenlicht zu erahnen ist, verstummen die „Sturmtaucher auf Helium“ und die Singvogel wachen auf und begrüßen den Tag – fast wie zuhause

Derweil erkunden wir den kleinen Ort Velas und die nähere Umgebung. Die Insel ist schroffer als Terceira und Santa Maria. Auch hier gibt es viele Weiden, die oft mit riesigen Hortensienhecken abgetrennt sind. Angeblich gibt es mehr Rindvieh als Einwohner auf der Insel und der Käse der hier produziert wird, ist wohl auch der Beste auf den Azoren. Mehr dazu beim nächsten Beitrag.

Es gibt wunderbare Schwimmbereiche vor Velas die in die Vulkanfelsen integriert sind. Aber da das Wasser im Hafen so absolut klar ist, gehen wir meist direkt vom Boot aus schwimmen. Fast jeden Tag schnappe ich mir meine Flossen, klettere über die Kaimauer und schnorchle an der Außenmole entlang. Wunderschön. Es ist beinahe wie in einem Aquarium. Es gibt viele Papageifische, einen Oktopuss der sich unterm Stein versteckte habe ich schon entdeckt, Flundern, die sich hervorragend im Sand tarnen, und ganz viele andere bunte Fische, deren Namen ich nicht kenne. Auch im Hafen sind viele der Fische vertreten und durch das klare Wasser können wir Papageifische in fünf oder sechs Meter tiefe beobachten. Ein Gehäuse einer Meeresschnecke lag am Grund, doch als ich es herauftauchte, stellte ich fest, dass es noch bewohnt war, deshalb durfte sie wieder zurück ins Meer.

Schwimmbereich in den Felsen
Meeresschnecke im Hafen von Velas

Vor zwei Tagen sind Barbara und Jochen mit ihrer TinLizzy auf ihren Schlag nach Festlandportugal aufgebrochen. Dafür kam am nächsten Tag die Spirit um die Ecke gebogen. Die Azoren sind halt doch eine kleine Inselwelt und man trifft sich immer wieder! Rolf und ich werden zusammen mit Carolyn and Marc die Insel erkunden und hoffen auf so strahlend schönes Wetter, wie wir es die letzten zwei Tage hatten….

Noite Branco und Abschied von Terceira

Feste gibt es im Sommer immer und überall auf den Azoren. In Angra kamen wir in den Genuss der „weißen Nacht“. Der Name ist Programm, jung und alt werfen sich in weiße Klamotten, Kneipen haben draußen aufgestuhlt oder einen Ausschank zur Straße hin. Auf dem Platz vor der Kirche wurden Buden aufgebaut, die Kunsthandwerk vom Holzspielzeug, über Souvenirs bis zu selbst gefertigten Taschen und Hüten verkaufen. In den Gassen spielen Bands – meist erst ab 10 Uhr abends oder später. Die Azoreaner fangen erst spät an zu feiern. Eine schöne Stimmung bei klarem Nachthimmel, die Straßen sind schön beleuchtet, teilweise bringt Schwarzlicht die weiße Kleidung strahlend zur Geltung. Wir genießen den Abend, sehen zu wie der Mond aus dem Erdschatten kommt und wieder voll von der Sonne beleuchtet wird. Wunderbar.

auch Vasco da Gama hat sich unters Volk gemischt…

Terceira hat uns sehr gut gefallen. Besonders die Ankerbucht vor Angra do Heroismo hat es uns angetan. So eine schöne Kulisse bekommt man selten vor Anker zu sehen. Das Wasser meist kristallklar, hier sahen wir das erste Mal vom Boot aus den Anker in neun Meter Tiefe auf den Sandgrund sinken. Am Ufer kann man schön schnorcheln. Das Dinghy kann am Rezeptionssteg angebunden werden und man darf die Marinafacilities mitbenutzen. Solange das Wetter mitspielt eine großartige Sache. Wir lagen bei westlichen und nördlichen Winden und Schwell in dieser Bucht und hatten meist sehr ruhige Nächte. Noch geschützter ist die Bucht vor Praia da Vitoria, im Osten der Insel, allerdings ist dort die Einflugschneise zum Flughafen, der auch von der US-Navy genutzt wird – bei unserem Aufenthalt war der Flugbetrieb von den Amerikanern stark in der Überzahl im Vergleich zum zivilen Flugzeugaufkommen. Von Senkrechtstartern, Kampfjets, Tankflugzeugen und Transportern war alles dabei. Dennoch hat es uns auch dort sehr gut gefallen, gibt es doch schöne große Sandstrände, nette Cafes und einen Grillplatz am Strand.

Angra – Eine Kulisse die man nicht vergisst!

Wir möchten uns noch mehr auf den Azoren umschauen, deshalb sind wir nun nach Sao Jorge weiter gesegelt. Der Tag brachte uns erst guten Segelwind und wir rauschten mit sieben, acht Knoten zur nächsten Insel hinüber. Dann allerdings mussten wir viel an der rauen, felsigen Küste von Sao Jorge entlang motoren. Die hohe, langgestreckte Insel sorgte ständig für Winddrehungen, manchmal fuhren wir im kompletten Windschatten, dann hatten wir ihn wieder auf der Nase. Dafür bekamen wir schon mal einen ersten Eindruck von der grünen, wilden Vulkaninsel. Nach einer ruhigen Ankernacht vor der felsigen Steilküste, liegen wir nun im kleinen Hafen in Velas. Gleich beim Checkin überreichte uns der Hafenmeister ein Päckchen, das nun schon seit einigen Wochen hier auf uns wartete. An dieser Stelle: vielen herzlichen Dank an Anke und Uwe von der Freikerl! Wir freuen uns schon riesig auf leckeres frisch gebackenes Brot!

Ankerfeld vor der Steilwand

 

Angra do Heroísmo

Seit gestern liegen wir an einem neuen Ankerplatz. Gleiche Insel, neuer Hafen. Die 15sm hierher waren praktisch ein Katzensprung. Alles was man innerhalb eines Tages erreichen kann empfinden wir zur Zeit als Kurztrip.

Die Südküste von Terceira

Auch hier in Angra kann man kostenlos vor Anker liegen. Nicht ganz so gut geschützt wie in Praia, aber bei den angesagten Westwinden sollte nicht allzuviel Schwell in die Ankerbucht stehen. Der Ausblick auf die Stadt ist klasse vom Boot aus! Weiß getünchte Häuser mit bunt bemalten Fensterumrandungen, prächtige Kirchen und ein imposantes Fort liegen rings um unseren Liegeplatz. Das Wasser ist kristallklar und herrlich blau. Es vergeht kein Tag ohne dass wir vom Boot aus ein Bad im Atlantik nehmen. Für uns angenehme 22 Grad, Karibiksegler wäre es wohl zu kalt.

Blick vom Boot auf Angra…
…und aufs Fort
Die Ankerbucht vor der Stadt

Angra ist seit den 80er Jahren Weltkulturerbe und wirklich sehr hübsch anzuschauen. Dennoch ist es selbst jetzt zur Hauptsaison nicht total von Touristen überrannt, sondern hat sich durchaus einen eigenen Charakter. Es macht Spaß durch die Gassen zu bummeln, durch den schönen Park zu streifen oder beim Kaffee die Leute auf der Straße zu beobachten, auch die kleine Wanderung auf den Hausberg Monte Brasil ist zu empfehlen, besticht er durch eine erstklassige Aussicht auf die Stadt.

Blick auf die Marina

Tourada a Corda

Terceira ist berühmt für die Straßenstierkämpfe die hier auf der Insel den Sommer über täglich irgendwo stattfinden. Die Tourada a Corda kann man jedoch nicht mit einem normalen Stierkampf vergleichen. Dank Carolyn und Mark, einem befreundeten britischen Pärchen, die mit ihrer Westerly auch hier vor Anker liegen, erfahren wir, dass am Abend in Biscoite eine Tourada stattfindet. Also nichts wie hin. Zusammen fahren wir mit dem Bus in den Norden der Insel, schauen uns erst das herrlich gelegene Strandbad in den Vulkanfelsen an – da müssen wir definitiv nochmal her!! – essen zur Stärkung einen typischen Rindereintopf (Alcatra), bevor wir uns auf die Suche nach den Stieren begeben.

Strandbad im Vulkanfels

Wir werden schnell fündig. In der Dorfmitte sind mehrere Straßen für die Tourada präpariert und alle Hauseingänge, ebenerdige Fenster und offene Plätze mit Sperrholz zugebaut, so dass der Stier keine Möglichkeit hat, von der Straße zu gelangen. Wir finden Platz in einer Bar, die mit einer Holzballustrade geschützt ist und warten gespannt auf den Stier. Ein Böllerschuß ertönt: der Stier wird aus seiner hölzernen Transportkiste gelassen. Ganz frei ist er jedoch nicht. Er hat einen geschätzt 100 Meter langen Strick um den Hals und zehn Männer (Pastores) können das Tier einbremsen, wenn es in die falsche Richtung abbiegt oder wenn ein zu unvorsichtiger „Torrero“ es nicht mehr rechtzeitig über die Holzabsperrung schafft. Männer reizen den Stier mit Schirmen oder Tüchern, so dass er sie die Straße hoch und runter jagt. Wenn die Wagemutigen über die Absperrung springen, kracht er manchmal mit voller Wucht gegen das Holz. Gut dass die spitzen Enden seiner Hörner mit kugelförmigen Abdeckungen geschützt sind, sonst würde das Sperrholz wahrscheinlich nicht lange halten. Nach 20 bis 30 Minuten wird der Stier wieder in seine Kiste getrieben, zwei Böllerschüsse zeigen an, dass keine Gefahr mehr besteht. Bei unserer Tourada werden insgesamt vier verschieden Stiere durch die Straße getrieben. Dazwischen bummeln die Einheimischen durch das Dorf, treffen Freunde, in Gärten oder Garagen wird bei Musik und Bier gefeiert, Straßenverkäufer haben Eis und Knabbereien im Angebot. Volksfeststimmung. Den Stieren passiert nichts, sie bekommen einen ordentlichen „work out“ und dann dürfen sie wieder auf ihre Weide.

Volksfeststimmung in Biscoite

In der Ankerbucht ist derweil ein Kommen und Gehen, wir treffen befreundete Crews und sitzen gern mal bei einem Sundowner in der Strandbar zusammen.

Blick von der Strandbar