//WL2K Zu den Azoren, dritter und vierter Tag

Auch der dritte Tag unsere Überfahrt bringt uns viele Wolken. Der Wind nimmt ständig ab, dann wieder kräftig zu, so dass wir dauernd die Genua ein- und ausreffen. Immerhin ist die Windrichtung fast konstant und wir können immer noch direkten Kurs Azoren anlegen. Gegen Mittag kommen auf ein kurzes Hallo ein paar Delfine vorbei, doch sie halten sich nicht lange bei uns auf, sondern ziehen schnell weiter. Der Tag vergeht wie im Flug mit schlafen, essen, lesen und immer wieder and den Segeln zupfen.
Zu Beginn der Nacht schläft der Wind dann ganz ein, wir rollen das Vorsegel weg und starten den Motor. Es liegt ein großer Hochdruckkern mit sehr wenig Wind vor uns. Der Mond kann sich selten zwischen den Wolken durchkämpfen und verbreitet nur sehr difuses Restlicht.
Als am nächsten Morgen die Sonne aufgeht ist der Himmel immer noch bedeckt, aber von Stunde zu Stunde verziehen sich die Wolken, bis nur noch ein paar weiße Wattebäusche den tiefblauen Himmel zieren. Auch der Atlantik liegt nun müde und spiegelglatt vor uns. Wir motoren durch dicke, ölige Flüssigkeit. Die kleinen Wölkchen spiegeln sich in der Wasseroberfläche so spiegelglatt ist das Wasser. Die langgestreckte Dünung ist kaum mehr auszumachen, ganz sanft hebt und senkt sich Piccolina durch das bleierne Meer.
Wir genießen die Sonne, die Wärme und die Einsamkeit, und lassen uns vom monotonen Motorgeräusch nicht stören. Bis zum Abend sind es noch 330 Restmeilen zu den Azoren.

//WL2K Zu den Azoren zweiter Tag

Nachdem wir schon am Sonntagabend an den Tanksteg verholt hatten, konnten wir am Montag gleich nachdem wir unsere Dieselvorräte gefüllt hatten ablegen. Drausen im großen Hafenbecken des Industriehafens zogen wir unsere Segel auf und segelten auf einem Holeschlag mehrere Meilen nach Osten um die vorgelagerte Halbinsel Isleta umfahren zu können. Die See vor Gran Canaria war kabbelig, der Wind schwach und wir waren froh, als wir die Wende fahren konnten um den richtigen Kurs zu den Azoren anlegen zu können, da wir nun auf dem besseren Bug segelten. Auch der Wind nahm zu und so sahen wir Grand Canaria langsam im Dunst verschwinden.
Am Abend segelten wir an der Nordostspitze von Teneriffa vorbei, welche in dicke Regenwolken gehüllt war. Der Wind legte stetig ein wenig zu, so dass wir zur Nacht das zweite Reff ins Groß banden. Trotz Vollmondnacht, hatten wir nur wenig Licht, da der Himmel dicht bewölkt war. Wir kamen ganz ordentlich voran und hatten am Morgen 120sm zurückgelegt, obwohl wir die ersten Stunden kaum vom Fleck kamen.
Auch am zweiten Tag konnten wir bei 4-5 Bft immer am Wind direkten Kurs auf die Azoren nehmen Der Himmel war fast durchgehend von einer zähen Wolkenschicht bedeckt, aber die Temperaturen sind dennoch sehr angenehm.
Die ersten zwei Tag waren etwas zäh. Unsere Seebeine haben wir in den 4 Monaten! Las Palmas kompett verloren und sie brauchen Zeit wieder nachzuwachsen. Der Aufenthalt unter Deck wird auf ein Minimum begrenzt – außer zum Schlafen – und so sitzen wir meist mit leicht flauem Magen im Cockpit und schauen aufs Meer.
Auch die zweite Nacht ist meist Wolkenverhangen, den Mond bekommen wir erst am frühen Morgen zu Gesicht, als er es schafft sich an den Wolken vorbeizuschummeln und uns mit seinem Silberlicht die Nacht verzaubert. Der Wind flaut langsam ab, dafür beschert uns Mutter Natur einen wunderbaren Sonnenaufgang. Im Osten schiebt sich langsam die Sonne über den Horizont um gleich wieder in einem weit entfernten Wolkenband zu verschwinden, im Westen steht noch der volle Mond über dem Atlantik. Das Farbspektrum wandelt sich vom dunklen Blau in hellere Pastelltöne und die umgebenden Cumuluswolken werden von der Sonne in rosa und lila Farbtöne getaucht. So schön!
Mittlerweile haben wir uns erstens etwas an die Schaukelei gewöhnt und zweitens sind die Wellen etwas weniger geworden, die Mahlzeiten werden regelmäßiger und die Portionen gehaltvoller. Ganz langsam kehrt Bordroutine ein. Etwa ein Drittel der Wegstrecke liegt hinter uns. Bleibt zu hoffen, dass uns der Wind nicht so schnell ausgeht, denn irgendwann werden wir direkt in das Hoch segeln, das sich momentan zwischen den Azoren und den Kanaren befindet.
Noch 470 Meilen bis Santa Maria

Fertig zum Abflug

Die letzten Wochen haben wir wenig von uns hören lassen. Wir waren damit beschäftigt unsere „to do“-Liste abzuarbeiten. Haben wir nicht ganz geschafft, aber einige Dinge die uns wichtig waren konnten wir abhaken. So haben wir z. B.  die Bugstrahlruderbatterie (was für ein Wort! ) nach vorne gelegt, den Fußschalter für die Ankerwinsch gewechselt, verschiedene Abdeckungen für Luken und Außenborder genäht und viele andere Kleinigkeiten erledigt. Dazwischen war aber auch noch Zeit für kleine Ausflüge. Einen sehr netten Abstecher machten wir nach Agüimes, als uns hier mal wieder das trübe Wetter auf den Nerv ging. Ein sehr nettes Städtchen mit einem hübschen Altstadtkern und überall trifft man auf Bronzefiguren. Sehr angenehm für einen Nachmittagsausflug.

Sonntagnachmittag in Agüimes

Nach langem Hin und Her haben wir beschlossen dass wir den Sommer auf den Azoren verbringen möchten. Freunde schwärmten von den Inseln und haben uns sehr neugierig gemacht. Allerdings ist es nicht ganz so einfach dort hin zu kommen. Jeden Tag studieren wir sämtliche Windvorhersagen. Der Wind auf den Kanaren kommt meist aus dem nördlichen Quadrant und so warten wir auf ein Wetter/Windfenster das uns passend scheint. Für nächste Woche sind einige Tage NO angesagt. Das könnte klappen, zumal sehr wenig Welle vorhergesagt ist, allerdings wird es dann ein Amwind oder Hoch am Wind Kurs. Jedenfalls machen wir unser Boot startklar, dann können wir los, sobald das Windfenster ausreichend erscheint. Die Wahrscheinlichkeit auch einige Stunden (hoffentlich nicht Tage) motoren zu müssen ist leider auch recht hoch, da die Azoren oft mitten in einem Hoch liegen und dort dann kein oder nur sehr wenig Wind herrscht.

Wir hoffen auch von unterwegs den ein oder anderen Beitrag senden zu können (wenn die Technik nicht versagt). Ansonsten updaten wir zweimal täglich unsere Position unter Position DH2RR

Kármánsche Wirbelstraße – schon mal was davon gehört?

Wir auch nicht – bis vor kurzem. Seit wir im Hafen von Las Palmas liegen, haben wir nämlich mit diesem Phänomen zu kämpfen.

Wir liegen mit unserer Piccolina quer zur Hauptwindrichtung auf der Insel. Besser gesagt, der Wind kommt meist entweder von etwas vorlicher als querab oder etwas achterlicher als querab (für Nichtsegler: nicht ganz genau von der Seite sondern leicht schräg von vorne oder hinten). Unser Mast – ziemlich genau 16m lang – hat ein symmetrisches, ovales  Profil. Wenn nun ein stetiger Wind  bläst, bilden sich gegenläufige Wirbel hinter dem umströmten Körper (Mast) aus. Die sogenannte Kármánsche Wirbelstraße. Das merken wir wahrscheinlich meist gar nicht, außer die Ablösefrequenz der Wirbel entspricht der Eigenfrequenz des umströmten Körpers (unseres Mast’s) und er wird in Schwingung versetzt. Das ist bei uns bei etwa 10 bis 15 Knoten der Fall. Dann merkt man wie der Mast anfängt zu schwingen und manchmal setzen sich die Schwingungen bis in den Rumpf fort. Das haben wir auch schon auf anderen Schiffen bemerkt, wenn wir zu Besuch waren, allerdings gibt es auf unserer Piccolina einen sehr lästigen Unterschied: wir hören wie ein Fall oder Kabel im gleichen Rhythmus im Inneren des Masts gegen das Alu schlägt. Klong, klong, klong. Dann eine Pause und wieder: klong, klong, klong. Mal etwas länger, mal etwas kürzer, mal leiser oder lauter, die Pausen größer oder kleiner, aber immer wieder das nervtötende klong, klong, klong. – Bis gestern.  Nach eingehender Recherche im Internet hängt nun ein Fender knapp über der zwiten Saling und siehe da: es ist weg. Wir haben plötzlich Ruhe im Schiff. Manchmal sind es die kleinen Dinge die das Leben einfach machen! In diesem Sinn wünschen wir eine gute Nacht😌

Oben hängt der Fender mit der beruhigenden Wirkung

Ein Jahr auf Piccolina

Zeit für ein kleines Resumé.

Der Umzug aufs Boot gestaltete sich aufwändiger als gedacht. Dass wir nicht unseren ganzen Hausstand mitnehmen können war von vornherein klar, aber sich bei jedem Topf oder Kleidungsstück, Buch oder Hifizubehör, Werkzeug oder Materialien entscheiden zu müssen was mitkommt, eingelagert wird oder in die Tonne gehört, strengte wirklich an. Das war nicht einfach ein Umzug, es war die Vorbereitung auf ein anders gestaltetes Leben. Doch zuerst waren wir ja noch ein paar Monate in Lübeck, hatten ein Auto, kannten uns aus. Die Umbauten am Boot zogen sich in die Länge und wir kamen später im Jahr los als geplant.

unser Heim seit einem Jahr

Schon bei der Abfahrt saß uns die Zeit im Nacken. „Spätestens im September sollte die Überfahrt über die Biskaya erfolgen“, so die allgemeinen Segelanweisungen. Dieser Satz bohrte sich in unsere Köpfe, ob wirklich zurecht? Da wir seglerisch keine alte Hasen sind, wollten wir uns daran halten. Auf der Fahrt durch den Ärmelkanal meinte es das Wetter nicht wirklich gut mit uns. Entweder zuviel Wind oder zu wenig, und meist auf die Nase. Die wenigen schönen Segeltage im englischen Kanal können wir leicht an einer Hand abzählen. Wir waren froh,  das anspruchsvolle Tidenrevier, mit den stark frequentierten Häfen und Fährrouten, den vielen Fischerbooten und der teilweisen heftigen Strömung hinter uns gebracht zu haben, als wir Nahe Brest auf ein Wetterfenster für die Biskayaüberquerung warteten. Fast zwei Wochen beobachteten wir Wind-und Wettervorhersagen um den richtigen Zeitpunkt für unseren bislang größte Schlag abzupassen. Nach einer zwar etwas ruppigen, dafür sehr schnellen Überfahrt merkten wir, wie in A Coruña die Anspannung, die uns bis dahin begleitete, abfiel. Galizien war und ist für uns ein unerwartet reizvolles Segelrevier. Geschützte Rias mit vielen tollen Ankerplätzen, freundliche, unkomplizierte Menschen, sagenhaftes Essen. Wäre es nicht irgenwann kalt geworden, wir wären vielleicht immer noch dort😉.

so kommen wir am Ankerplatz von Bord

Hier irgendwo zwischen Navajas (Schwertmuscheln) und Albariño entdeckten wir das Fahrtensegeln, so wie wir es uns – wenn auch nicht in allen Details – vorgestellt haben. Es ist das erste Mal, dass wir Zeit im Überfluss haben und genießen diesen Zustand. Keinen Wecker morgens – außer vor langen Tagestörns – keine Termine – außer wenn man sich mit anderen Crews verabredet – keiner, der einem sagt was man zu tun hat. Wir können bleiben wo es uns gefällt, bis wir das Gefühl haben weitersegeln zu müssen, oder uns das Wetter weiter treibt.

bleiben und genießen…

Letzteres drängte uns immer weiter die Küste entlang nach Süden, wo wir schließlich von Cascais aus den Absprung zu der Madeira vorgelagerten Insel Porto Santo schafften. Auch dies wieder eine etwas anstrengende Überfahrt mit ordentlichen Wellen von hinten, dafür hatten wir keine Sorge dass uns der Wind ausgehen könnte…

Delphine – immer schön wenn sie ums Boot schwimmen

Auf Porto Santo scheinen die Uhren etwas langsamer zu ticken. Sowohl die Größe der Insel als auch die Einwohnerzahl ist übersichtlich und im Hafen waren ab Dezember nur noch eine Handvoll ausländische Yachten. Wir verbrachten dort den Jahreswechsel und das mit einem Feuerwerkspektakel das wir nicht so schnell vergessen werden, wurde es doch direkt vom Aussichtspunkt oberhalb des Hafen gezündet – also quasi nur für uns 😀😀

Start ins neue Jahr

Nun sind wir schon seit ein paar Monaten in Las Palmas auf Gran Canaria. Auch wenn wir uns das Wetter etwas besser erwartet hatten (alle sagen dass es dieses Jahr viel kälter ist), gefällt es uns sehr gut hier. Auf den ersten Blick eine graue Stadt mit zu vielen Hochhäusern, sehen wir nun ihren spröden Charme, nette Plätze versteckt um die Ecke, herzliche Menschen, ungeschönte Fasasden aber ehrliches Leben.

Auch auf dem Boot ist nicht alles nur wunderbar. Wir leben auf vielleicht 25qm zu zweit. Bei all dem Werkzeug, Ersatzteile, Segelliteratur und Karten, Küchenutensilien und Vorräte, den vielen anderen Dingen die notwendig sind, bleibt nicht viel Platz für persönliche Gadgets. Das war auch von vornherein klar und ist kein Problem – auf unseren Motorradreisen hatten wir wesentlich weniger Spielraum.

Für alltäglichen Dinge müssen wir viel mehr Zeit aufbringen alsfrüher zuhause. Wäsche waschen ist so ein Beispiel. Nicht immer haben wir das Glück, dass wir in der Marina kostenlos waschen können (wie in Porto Santo). Meist nehmen wir unseren Wäscheberg mit zum Waschsalon, auch gern mal mit Fahrrad oder Bus und freuen uns wenn dort professionelle Maschinen zur Verfügung stehen. Dabei muss pro Maschine schon zwischen 5 und 8 Euro gerechnet werden, der Trockner schluckt auch nochmal um die 4 Euro. Dafür braucht die Wäsche meist nur eine gute Stunde. So sind wir hin und zurück oft über zwei Stunden unterwegs. Einkaufen ist meist auch zeitaufwändiger, da alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Boot geschleppt werden muss. Bisher hatten wir nur hier die Möglichkeit, die Einkäufe geliefert zu bekommen. Dann gibt es die tägliches Arbeiten auf dem Boot: Geschirr spülen, putzen und polieren….

Bei größeren Projekten – im Augenblick sind wir gerade dabei eine zusätzliche Batterie vorne zu unserem Bugstrahlruder einzubauen – ist es oft schwierig erst mal herauszubekommen, wo man Material bekommt. Die Bootchandler hier vor dem Hafen sind ganz ordentlich bestückt, teilweise aber recht teuer. Doch auf der Suche nach passendem Sperrholz(-zuschnitt) waren wir locker einen halben Tag unterwegs. Nicht selten sind wir tagelang in der Stadt unterwegs, wenn wir spezielle Teile suchen…

Ferreteria

Dennoch bereuen wir unseren Entschluß aufs Boot zu ziehen keinen Augenblick. Wir fühlen uns uns wohl in unserem schwimmenden Heim. Wir genießen es „Zeitmillionäre“ zu sein, verschieben lästige Arbeiten auch gerne mal auf morgen. Dabei haben wir erst kürzlich gelernt dass „mañana“ – nicht „morgen“ – bedeutet, „nicht heute“ wäre vielleicht die bessere Übersetzung 😆. Mit genügend Zeit kann man vieles gelassener angehen. Und wir freuen uns bald wieder neue Ziele anzusteuern zu können.